Trotz der Trauer um Thomas’ Vater haben wir eine schöne Zeit in Braunschweig. Wir können viel erledigen, Freunde treffen, uns um Thomas’ Mutter kümmern und uns von ihr aufpäppeln lassen, vor allem mit der guten deutschen Küche! Als wir uns wieder auf den Weg nach Kanada machen, sind alle Pfunde wieder auf den Hüften, die wir in den 8 Monaten unserer Reise abgenommen hatten!
Die lange Rückreise verläuft problemlos. Wir haben auf dem gesamten Flug sehr schönes Wetter mit einem entsprechend schönen Blick vor allem auf die riesigen Schnee- und Eisfelder Grönlands. Erschreckend nur, dass es kurz vor unserer Landung in Vancouver immer noch genauso aussieht – Schnee soweit das Auge reicht. Und da wollen wir rumreisen und campen?
Bei unserer Ankunft in Vancouver haben wir etwas gemischte Gefühle bezüglich unserer Weiterreise. Kann man weiterhin so unbeschwert reisen wie bisher oder hat die traurige Unterbrechung mehr Auswirkungen als gedacht? Als uns aber Christian am Flughafen von Victoria mit derselben Herzlichkeit empfängt, mit der er uns auf die Reise nach Deutschland schickte, sind alle Bedenken weggeblasen.
Deborrah und Christian verwöhnen uns mit einem leckeren Barbecue und rüsten uns mit allem aus, was für unsere Abreise am nächsten Morgen nötig ist. Vielen Dank euch beiden, es tut gut, so liebe Freunde zu haben.
Bevor wir uns mit der Fähre auf den Weg nach Vancouver machen, erkunden wir bei einem kleinen Spaziergang Victoria, British Columbia’s Hauptstadt auf Vancouver Island. Vor allem das Parlamentsgebäude von 1908 mit seinen Grünanlagen ist ein beliebtes Fotomotiv.
Eigentlich wollen wir die nächste Fähre zum Festland nehmen, aber als wir nach 30 Minuten ein Schild mit der Aufschrift “Campground” sehen, sind wir uns einig, dass uns die lange Reise incl. Jetlag noch gehörig in den Knochen steckt. Wir gönnen uns also noch einen Nachmittag am Strand, bevor’s dann endlich losgeht. Hier am Island View Beach gewöhnen wir uns schnell wieder an das einfache Camperleben incl. Plumpsklo… Entsetzt sind wir allerdings, dass wir bereits hier von Heerscharen von Moskitos heimgesucht werden. Schon mal ein kleiner Vorgeschmack auf unsere Weiterreise…
Am nächsten Morgen geht’s auf die Fähre von Swartz Bay nach Tsawwassen südlich von Vancouver, eine herrliche Fahrt durch viele Inseln hindurch.
Nach 1 1/2 Stunden kommen wir an, steuern den nächsten Walmart an, um unsere Vorräte für die Wildnis aufzustocken und wollen eigentlich irgendwo in der Nähe von Vancouver übernachten. Die nächste Gelegenheit dazu finden wir allerdings erst in Squamish, 60 Kilometer nördlich von Vancouver. Da auch hier sämtliche Campingplätze überfüllt sind (es ist Freitag), sind wir froh, einen einsamen Platz an einem Windsurferstrand zu finden.
Am nächsten Morgen geht’s dann früh los, wieder zurück nach Vancouver, eine herrliche Stadt, die wir mit dem Fahrrad erkunden. Wir nehmen uns die gleiche Route vor wie bei unserer Reise vor 17 Jahren, allerdings hat es damals geregnet, heute genießen wir herrlichen Sonnenschein.
Der Stanley Park ist ein absolutes “Muss”. Der Stadtpark mit seinen Stränden und Trails ist über 400 ha groß. Hier tummeln sich unzählige Spaziergänger, Radfahrer und Skater - das Radeln geht nur zäh voran. Aber macht nichts, es gibt genügend Fotospots, an denen man ohnehin anhalten möchte, wie z.B. das Mädchen im Taucheranzug (“girl in a wetsuit”) oder der Siwash Rock:
Die Stadt ist sehr grün, und wer keinen Garten hat, der pflanzt sich seinen Baum einfach mal auf’s Hausdach…
Und natürlich auch sehr sportlich, spätestens seit den Olympischen Winterspielen von 2010. Es gibt hier extra Wege für Kunstradfahrer (ha ha) und an diesem Tag findet ein Drachenbootrennen statt:
Bei einem Besuch von Vancouver darf natürlich ein Abstecher zur Granville Island nicht fehlen! Geschäfte und Kulturschaffende bezogen die alten Lagerhäuser, als Mitte des 20. Jh. die Kais für die Containerschiffe zu klein wurden. Man findet hier viele Galerien, Theater und Straßenkünstler. Aber vor allem der Public Market in einer alten Lagerhalle ist ein kulinarischer Anziehungspunkt. Hier findet man Delikatessen aus aller Welt. Gut, dass wir unsere Bäuche bereits in Deutschland mit sämtlichen Leckereien vollschlagen konnten, sonst hätte der Besuch im Public Market ein großes Loch in unser Budget gerissen.
In Vancouver schmückt man – wie übrigens in anderen Städten in British Columbia auch – viele Straßenlaternen mit Blumenkübeln, was zu einem sehr schönen Stadtbild beiträgt.
Das Kongresszentrum am Canada Place, das einem weißen Fünfmaster ähnelt, sieht man bereits von weitem. Hier können bis zu fünf riesige Kreuzfahrtschiffe festmachen. Wir haben Glück. Es ist Samstag, und 3 große Kreuzfahrtschiffe liegen hier. Man kann so dicht daran vorbeispazieren, dass man direkt in die Kabinen schauen kann.
Bei einer kleinen Pause am Ende unserer Radtour im Stanley Park rollen plötzlich mehrere Stretch Limousinen heran und spucken unzählige Mädchen in langen Kleidern und Jungs im Anzug aus. Gleich werden wir als Fotografen eingespannt:
Sie alle feiern heute ihren Highschool-Abschluss und es macht viel Spaß, diese vielen hübschen und gutgelaunten jungen Leute zu beobachten.
Fast ein bisschen wehmütig verlassen wir am Abend das bunte Treiben in Vancouver über die Lions Gate Bridge…
… aber wir müssen ja wieder bis ins weiter entfernte Squamish fahren, wo wir auf unserem “alten” Platz am Surferstrand übernachten.
Auf unserer Fahrt werden wir immer wieder daran erinnert, dass wir uns im “First Nations” Land befinden. Nicht nur auf Grund der zahlreichen Totempfähle.
Auch die Beschriftung der Straßenschilder erfolgt in einer für uns absolut unaussprechlichen Indianersprache. Nach mehreren erfolglosen Versuchen und einigen Knoten in der Zunge entschließen wir uns, doch bei der englischen Variante zu bleiben:
Jetzt heißt es, an unserer ursprünglichen Kondition zu arbeiten und die angefutterten Pfunde wieder los zu werden. Was eignet sich besser dafür als eine kleine Bergtour? Gleich bei Squamish kommen wir voll auf unsere Kosten. Der “sea to summit trail” führt in steilen Felsstufen hinauf zum “Chief”, dem zweitgrößten Granitmonolithen der Welt. Ein Eldorado für Kletterer!
Scheinbar hat sich heute am Sonntag ganz Kanada hier zum Wandern versammelt. Es gehen ganze Kolonnen den steilen Berg hinauf, wir haben so etwas noch nie erlebt. Alles was zwei oder vier Beine hat, kämpft sich in mehr oder wenig guter Verfassung die 800 Höhenmeter hinauf. Kein Wunder, ist es doch der erste Berg mit Seilbahn (der “sea to sky gondola”) hinter Vancouver. Es gibt sogar Wettbewerbe: derjenige gewinnt, der die meisten Besteigungen innerhalb eines Monats vorweisen kann.
Unserer Kondition hat es gut getan, aber wir sind froh, als wir wieder unten ankommen und unsere Weiterfahrt ganz alleine und ganz in Ruhe antreten können.
Unser nächstes Ziel ist Whistler, eine der Top-Schi- und Bergregionen des amerikanischen Kontinents. Und der Ort, an dem die alpinen Wettbewerbe der olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver stattgefunden haben. Schon bei der Gründung von Whistler im Jahre 1960 hatte man im Hinterkopf, irgendwann mal die Olympischen Spiele hierher zu locken.
Seit unserem Besuch 1997 hat sich viel verändert, vor allem natürlich wegen des Großereignisses 2010. Das Stadtbild mit dem typischen Baustils eines Wintersportorts ist aber geblieben:
Alles steht hier im Zeichen des Wintersports:
Es gibt unzählige Bergbahnen und Schilifte, hier nur ein kleiner Teil des riesengroßen Schigebiets:
Um einen besseren Überblick über den Ort zu bekommen, machen wir eine Wanderung an einer Schipiste hinauf. Gleich nach den ersten 10 Minuten sehen wir direkt hinter uns einen Bären! Damit hatten wir nun überhaupt nicht gerechnet und sind froh, dass der Wind aus der richtigen Richtung kommt. Der Bär bemerkt uns nicht und kümmert sich nicht weiter um uns.
Von hier oben hat man einen guten Überblick über den Ort und die umliegenden Schigebiete:
Nach unserer kleinen Wanderung bummeln wir noch durch den malerischen, wenn auch sehr touristischen Ort. Besonderer Anziehungspunkt ist für alle natürlich der Olympische Platz, an dem 2010 alle Feierlichkeiten stattgefunden haben.
In die Metall-Umrandung des Platzes sind alle Medaillengewinner eingraviert. Uns interessieren natürlich besonders die Schifahrer:
Aber jetzt sind die meisten Schigebiete verlassen, die letzten Schneereste schmelzen dahin, und die Downhill-Mountainbiker erobern die Schigebiete für sich. Die Biker lassen sich von den Liften hinaufbringen und sausen in atemberaubender Geschwindigkeit auf den vielen verschiedenen ausgewiesenen Strecken die Hänge hinunter.
Uns gefallen vor allem die witzigen Namen der Trails, wie z.B. “Shit Happens”, “White Knuckles”, “No Girly Man” oder “Drop in Clinic”.
Auch wenn’s “nur” bergab geht, scheint das Downhill-Radeln doch sehr anstrengend zu sein:
Uns reicht’s jetzt erst mal von dem vielen Trubel und den vielen Touristen. Außerdem müssen wir Gas geben, denn die ersten Camperkaravanen ziehen bereits nach Norden. Nächste Woche beginnen hier die großen Ferien und wir wollen noch vor den großen Touristenanstürmen in Alaska ankommen. Also machen wir uns auf den Weg, ab jetzt durch einsame Gegenden, vorbei an spektakulären Gletschern wie hier dem Matier-Gletscher:
Wir genießen die Einsamkeit der kanadischen Wälder, entlang kaum befahrener Straßen und malerischer Seen:
In 100 Mile House besuchen wir Konny, ein Erdinger Urgestein. Wir hatten Konny und seine Frau vor 2 Monaten in Monterey während ihrer USA-Reise kennengelernt. Die beiden leben schon seit über 20 Jahren hier im tiefsten Kanada, was dem bayrischen Dialekt aber keinen Abbruch getan hat. Wir sind dankbar für ein paar wertvolle Tipps eines “Einheimischen”…
Wir freuen uns auch, wie unkompliziert einiges im Vergleich zu USA ist: nachdem wir in USA öfter Probleme hatten, unsere Gasflaschen mit Propangas auffüllen zu lassen (dort hat man viel zu viel Angst, dass irgendwas passieren könnte), hilft man uns hier in Kanada sofort und ohne große Diskussionen:
Lediglich die “Größe” unserer Flaschen ruft Verblüffung hervor. Mit solchen Miniflaschen gibt man sich hier natürlich nicht ab, und somit verfügt man über keine Messgröße. Zum Glück hat Thomas seine eigene Federwage dabei…
Wir sind auch begeistert von den Campingplätzen hier in British Columbia. Mussten wir in Kalifornien noch zähneknirschend 35 Dollar für einen zum Teil nicht sehr schönen Platz bezahlen, bekommt man hier für 15 Dollar einen Riesenplatz in herrlicher Landschaft! Zudem ist es hier gut möglich, “wild” zu campen, was wir bis jetzt fast immer getan haben. Und die beste Variante sind ausgewiesene “Recreation Areas”, d.h. richtig schöne Campingplätze mit sauberen Toiletten in herrlich schöner Natur, für die man erstaunlicherweise gar nichts bezahlen muss. Heute haben wir besonderes Glück. Der Platz ist nicht nur sehr schön und kostenlos, es gibt an jedem Platz auch noch einen Stapel Feuerholz. Fehlt nur die Axt…
Unsere Strecke von Victoria nach Burns Lake (1.272 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 31.468 km.
Blog erstellt am 11.06.2014 in Burns Lake, Kanada.
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