Mittwoch, 29. April 2015

53: Kolumbien: Bucaramanga – San Gil – Bogotá - Salento (15.–26.04.2015)


Dieses Verkehrszeichen ist das in Kolumbien am häufigsten vertretene und beschreibt eigentlich ohne Worte unsere Weiterreise von Bucaramanga durch die Berge:

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Steile Berge, scharfe Kurven, enge Straßen und viel, viel Verkehr. Man kann gar nicht genug aufpassen. Dabei ist die Landschaft am Chicamocha-Canyon entlang so schön.

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Nur ab und zu kann man einen schnellen Blick in den Canyon werfen, denn schon wartet vor einem der nächste Stau:

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Gefahren wird nur im Schritttempo, und wir sind froh, als wir endlich in San Gil ankommen.

Das kleine Städtchen San Gil zwischen Bucaramanga und Bogotá ist das Zentrum für Abenteuersport. Hier kann man alles machen, was einem den ultimativen Kick gibt: Abseilen, Rafting, Paragliden, Hydrospeeding, Höhlenklettern und Torrentismo (an einem Wasserfall abseilen). Für uns dient es eher als Versorgungspunkt, wo wir uns mit allem eindecken, bevor wir uns in die entlegeneren Gegenden zurückziehen. Trinkwasser kauft man hier übrigens nicht mehr in der 20-Liter-Karaffe, sondern in 6-Liter-Plastiktüten:

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Obwohl nicht ganz umweltfreundlich, gefällt uns dies gut. Viel besser zu verstauen und leichter dosierbar als die 20-Liter-Monster.

Hoch oben über San Gil beziehen wir im La Pacha Hostel bei dem Engländer Justin unser Quartier für die nächsten Tage. Hier bekommen wir auch zum ersten Mal zu spüren, wie sich die Regenzeit anfühlt. Hatten wir in den letzten Monaten völlig vergessen, wie dieses nasse Zeug heißt, das plötzlich vom Himmel fällt, genießen wir jetzt die nachmittäglichen Gewitterregen, zumal wir so endlich mal genügend Wasser zum Geschirrspülen haben:

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Vom Hostel aus fahren wir mit dem Bus nach Barichara, einem ruhigen, makellos erhaltenen und zusätzlich auch restaurierten Kolonialstädtchen ca. 30 Minuten entfernt. Die 300 Jahre alten Häuser sind hier alle weiß getüncht und mit Ziegeldächern gedeckt.

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Ein beschaulicher Ort, hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Wobei die modernen Maschinen auch hier Einzug gehalten haben, wie diese Mango-Schäl- und Schneidemaschine zeigt. Eine tolle Sache, ist das manuelle Mangoessen doch eine ziemlich klebrige Angelegenheit.

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Von Barichara aus führt der Camino Real, ein von dem Deutschen Geo Von Lenguerke im Jahre 1864 erbauter Weg, über 5,5 Kilometer hinab ins Mini-Dorf Guane, wo es neben einer Dorfkirche und ein paar kleineren Läden nicht viel gibt.

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Guane gefällt uns sehr gut, es erinnert an die kleinen Bergdörfer in Mallorca oder den Pyrenäen.

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Wir legen eine Kaffeepause ein und fahren mit dem Bus wieder zurück über Barichara zu unserem Quartier. Grade rechtzeitig mit den ersten Regentropfen erreichen wir das Hostel. Zum Glück gibt es hier eine große Küche, die man benützen darf, sei es zum Kochen oder um die Routenplanung zu machen:

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Erschwerte Reiseplanung:

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Nach vier geruhsamen Tagen mit einigen Wanderungen heißt es Abschied nehmen von Justin und Andrea, und wir fahren weiter Richtung Villa de Leyva, dem nächsten Highlight. Auf der Fahrt dorthin fällt uns immer wieder auf, dass viele Bäume mit einem ganz besonderen Moos bewachsen sind, ähnlich dem “Spanish Moss” in den Südstaaten der USA:

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Villa de Leyva ist ein wunderschöner Ort, für uns der schönste seit Beginn unserer Reise. Man sollte ihn aber nur besuchen, wenn man viel Zeit hat, denn aus unserem geplanten Tag wurde schnell eine ganze Woche. Suchtgefahr! Im sehr netten Hostel Renacer machen wir es uns gemütlich und starten von hier aus unsere Wanderungen und täglichen Besuche der Stadt. Wir lernen hier viele nette Reisende kennen und fühlen uns gleich wie zu Hause.

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Ohne das Auto bewegen zu müssen, kann man von hier aus nette Wanderungen zu verschiedenen “Miradores” (Aussichtspunkten) unternehmen. Die Wanderwege sind nicht immer leicht zu finden, ziemlich zugewachsen und manchmal ohne Machete kaum zu begehen. Mit einem deutschen Wanderweg natürlich nicht zu vergleichen, aber schön grün ist’s.

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Auf fast jedem Aussichtshügel findet man eine Christusstatue:

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Und so verlaufen unsere Tage eigentlich immer nach dem gleichen Schema: Am Morgen eine Wanderung, mittags dann in den Ort mit seinen netten Gassen…

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… und der Plaza Mayor, dem beeindruckenden, riesengroßen Hauptplatz, dem größten Platz in ganz Kolumbien, mit seinen Kolonialgebäuden und der Gemeindekirche.

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Ein Besuch bei Manfred und seiner Dorfkneipe mit einem echten Erdinger Weißbier darf natürlich nicht fehlen:

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Auch kulinarisch gibt es hier alles, was das Herz begehrt. Eine echte französische Bäckerei mit leckerem Brot und Flan, und unsere Lieblingsbäckerei “Astral”, wo wir Stammkunden sind und jeden Tag pünktlich um 13:30 h vor der Tür stehen, wenn die ofenfrischen Vollkornsemmeln aus dem Ofen kommen. Das beste Brot unserer ganzen Reise! Aber auch sonst bekommt man hier alles. Unsere Räder sind nach 1 1/2 Jahren und etlichen Radtouren am Meeresstrand nun so in Mitleidenschaft gezogen, dass alle Seilzüge durchgerostet sind. Ohne Probleme und für ganz wenig Geld bekommt man hier in Villa de Leyva alle erforderlichen Ersatzteile und Thomas kann sich als Fahrradmechaniker so richtig austoben:

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Villa de Leyva hat’s uns so richtig angetan, hier könnte man Wochen und Monate verbringen. Nicht unbedingt zu empfehlen ist allerdings ein Besuch beim örtlichen Zahnarzt. Thomas hat – mal wieder – ein Krone verloren, und man kann sich gar nicht vorstellen, was beim Einkleben einer Krone alles schief gehen kann. Na ja – Thomas lispelt jetzt etwas und versucht, durch entsprechende akrobatische Kiefer-Verrenkungen sein Kiefer so zu stellen, dass er auch wieder feste Nahrung zu sich nehmen kann. Alles Gewohnheit – meint die zwar sehr hübsche, aber scheinbar nicht allzu kompetente Zahnärztin.

So ungern wir auch Villa de Leyva verlassen, so sehr freuen wir uns auch auf unser nächstes Ziel, Zipaquirá, 50 Kilometer nördlich von Bogotá. Hier befindet sich eine der faszinierendsten Sehenswürdigkeiten Kolumbiens, die Catedral de Sal, eine unterirdische Salzkathedrale.

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Die Kathedrale entstand in einer alten Salzmine, die direkt in einen Berg am Rande der Stadt gebaut wurde. Wir bekommen eine Privat-Führung in spanisch und sind beeindruckt von den 14 Stationen des Kreuzwegs, alles in Salzgestein gemeißelt.

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Richtig sprachlos sind wir allerdings, als wir das Hauptschiff erreichen. Als auch noch das Ave Maria ertönt, haben wir einige Probleme, ein paar Tränchen der Rührung zu unterdrücken.

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Am Rande findet man auch immer wieder in Salz gemeißelte Figuren:

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Zum Schluss gibt es noch eine Sound and Lightshow (na ja), und einen sehr informativen und gut gemachten 3D-Film. Sehr beeindruckt verlassen wir nach 2 1/2 Stunden die Salzkathedrale und machen noch einen kleinen Stadtbummel durch Zipaquirá mit seinen netten Gassen und bunten Häusern:

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Leider gibt es in Zipaquirá und Umgebung keine geeignete Übernachtungsmöglichkeit, und so verbringen wir mit zwei französischen Campern die Nacht auf dem Parkplatz des Archäologischen Museums.

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Gut bewacht vom Wachmann in seinem Häuschen direkt über uns und hell erleuchtet. Bis auf die fehlende Toilette eine gute Möglichkeit, die Nacht zu verbringen.

Von hier aus sind es am nächsten Morgen nur noch knappe 50 Kilometer bis Bogotá, wo wir am frühen Vormittag eintreffen und unser Auto auf dem Parkplatz der Mall Portal 80 abstellen. Mit dem Trans Milenio, einem modernen Bus, gelangen wir in 45 Minuten direkt in die Innenstadt.

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Der Trans Milenio ist eine tolle Sache. Es gibt ihn seit 2000 und für ihn ist eine eigene Fahrspur reserviert. Stehen die Autos auf den anderen Spuren Stoßstange an Stoßstange, so fährt er ohne zu stoppen schnell durch die Stadt. Etwas verwirrend allerdings der Fahrplan:

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Und wir dachten immer, der Münchner MVV-Plan ist schon eine Herausforderung!

Leider ist das Wetter mal wieder schlecht (wie scheinbar fast immer in Bogotá). Aber kein Problem – hier gibt es so viel Kultur und tolle Museen, da kann man sich auch bei Regen gut beschäftigen. Ein Muss ist natürlich das Museo del Oro, das Goldmuseum, das über 34.000 Ausstellungsstücke beherbergt und das bedeutendste Goldmuseum der Welt ist.

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Ein präkolumbischer BH – schön anzuschauen und wertvoll, aber sicher etwas unbequem:

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In einer Regenpause bummeln wir durch das kolonialzeitliche Viertel La Candelaria mit seinen steilen, gepflasterten Straßen, Museen, Cafés und Theatern. Und seinen wunderschönen Innenhöfen.

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Die Plaza de Bolívar mit der Catedral Primada ist das Herzstück der historischen Stadt.

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Wir besuchen die Biblioteca Luis Ángel Arango, eine riesengroße Bücherei mit zeitgenössischen Kunstausstellungen, und die Donación Botero, die neben 123 Werken von Botero auch 85 Werke namhafter Künstler wie Chagall, Dali, Picasso, Miro, Matisse, Monet und Renoir umfasst. Besonders angetan haben es uns allerdings die typischen Werke von Botero. Fernando Botero ist der international bekannteste kolumbianische Künstler, der für seine Statuen oder Porträts von dicken Menschen bekannt ist:

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Die immer wieder kehrenden Regengüsse haben allerdings auch ihr Gutes: kaum scheint die Sonne, kann man wunderschöne Regenbögen sehen:

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Wir sind vom Charme und der Lebensfreude dieser Stadt fasziniert. Es ist Samstag Nachmittag, und an jeder Ecke sieht man Künstler, Musikanten und Tänzer:

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Das Leben pulsiert hier, man hört Musikrichtungen aller Art, allen voran natürlich die Cumbia, ein afrikanisch inspirierter Rhythmus.
Man bleibt immer wieder stehen, tanzt mit, klatscht mit, singt mit, oder genießt einfach den Anblick dieser vor Lebensfreude sprühenden Menschen.

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Bevor es dunkel wird, machen wir uns auf den Nachhauseweg – wieder mit dem Trans Milenio. Unser Zuhause für diese Nacht ist der Parkplatz der Mall Portal 80. Man ist sicher bewacht und wir verbringen eine für das Wochenende erstaunlich ruhige Nacht.

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Einziges Problem – mal wieder – die nicht vorhandene Toilette. Saubere Toiletten gibt es zwar in 10 Minuten Fußweg entfernt in der Mall, aber die öffnet ihre Pforten erst um 09:00 h. So dient halt die Lücke zwischen den Autos zum Abspülen, zum Zähneputzen und zu einigem mehr (zwischen geöffneter Autotür und vorgehaltenem Schlafsack). Der Security-Mensch, der uns am Morgen begrüßt, ist nicht nur sehr nett, sondern auch sehr höflich. Er meint, es wäre gefährlich, was wir machen, “das mit dem vielen Wasser am Boden”, denn wenn es friert, dann rutschen wir womöglich aus. Wir müssen herzlich lachen, denn es hat 20°C. Aber er ist halt höflich. Er hätte ja einfach sagen können: Pinkeln auf dem Parkplatz verboten.

Wir haben uns extra das Wochenende für unseren Bogotá-Besuch ausgesucht, da jeden Sonntag von 7:00 bis 14:00 h 120 Kilometer von Bogotás Hauptstraßen für den normalen Verkehr gesperrt sind. Wir hatten uns so auf’s Radeln gefreut, aber leider regnet es in der Früh schon wieder, und wir beschließen schweren Herzens, die Stadt zu verlassen.

Unser nächstes Ziel ist die Zona Cafetera, das Kaffeeanbaugebiet Kolumbiens. Und um dorthin zu kommen, muss man gewaltige Höhenunterschiede absolvieren. Hier das Höhenprofil unserer Fahrt am Sonntag.

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Bogotá liegt auf 2.600 m, von dort geht es steil hinunter bis auf 250 m. Hier empfangen uns wieder sommerliche 34°C, und trotz der herrlich grünen Landschaft (es sieht aus wie im bayrischen Alpenvorland) sind wir froh, dass es schon schnell wieder in die Höhe geht. In engen und steilen Serpentinen schlängelt sich die Straße bis auf 3.280 m hinauf. Eine mühsame Fahrt. Es gibt Unmengen von LKWs und Schwerlasttransportern, die im Schritttempo fahren. Man muss ständig versuchen, waghalsige Überholmanöver einzuplanen. Aber selbst die LKWs unter sich liefern sich gefährliche Wettrennen. Die mit 8 km/h überholen die mit 7 km/h etc. An vielen der engen Kurven stehen selbst ernannte Kurvenwinker, die einem zuwedeln, ob Gegenverkehr kommt (und dafür auch noch Geld verlangen). Wir sind froh, als wir endlich oben ankommen. Im dicken Nebel auf 3.280 m. Unvorstellbar, dass wir kurz zuvor noch im grünen Flachland bei 34°C waren!

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Von hier aus geht’s nur noch bergab, direkt in die Zona Cafetera, durch Armenia nach Salento auf 1.800 m, wo wir uns für die nächsten Tage auf der Rancho de Salento einquartieren.

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Von hier aus machen wir Wanderungen und Radtouren im Valle de Cocora und besuchen eine Kaffeefarm mit ausführlicher Führung. Dies aber dann im nächsten Blog.

 

Unsere Strecke von Bucaramanga bis nach Salento (Kolumbien) (740 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 65.550 km.

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Blog erstellt am 28.04.2015 an der Rancho de Salento in Kolumbien.