Mittwoch, 18. Juni 2014

24. Etappe: Prince George (B.C.) nach Whitehorse (Yukon) (12.06.–17.06.2014)


Houston, we have a problem!

Kurz vor dem kleinen Ort Houston in British Columbia schleudert uns ein entgegenkommender Lastwagen einen größeren Stein in die Windschutzscheibe. Und das auf einer perfekten Asphaltstraße, nicht etwa Schotter… wie soll das nur auf Alaska’s offroad-Straßen weitergehen!?!

Um das Loch schnell zu kleben, bevor es Risse in der Scheibe gibt, steuern wir in Houston eine Reparaturwerkstatt für Glasschäden an.

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Dem Chef der Werkstatt lockt unser – wie wir finden erhebliches - Loch nur ein müdes Lächeln hervor, gibt es doch in dieser Gegend fast kein einziges Auto mit einer intakten Scheibe. Alle haben mindestens mehrere Löcher oder Risse in den Scheiben. Wir wollen aber einen größeren Sprung vermeiden und entscheiden uns für’s Kleben.

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Die Gerätschaften sehen professionell aus, das Ergebnis ist aber nur mäßig – na ja, wird sowieso nicht das einzige Loch bleiben, und Glas-Werkstätten gibt’s hier wie Sand am Meer…

Auf unserer Weiterfahrt passieren wir malerische Orte wie hier Moricetown, wo die First Nations einen Großteil der Bevölkerung ausmachen:

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Inzwischen hat in Brasilien die Fußball Weltmeisterschaft begonnen. Es tut schon weh, keine Möglichkeit zu haben, die Spiele zu verfolgen. Internet gibt es hier in der Einsamkeit so gut wie gar nicht. Zumindest in dem kleinen Ort Smithers finden wir eine gute Möglichkeit, das Eröffnungsspiel anzuschauen – zwischen Kisten und Kartons machen wir es uns in einem Elektroladen “gemütlich”:

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Bald kommen wir an eine Abzweigung und verlassen die Hauptstraße in Richtung Norden. Hier in Kitwanga beginnt der Cassiar Highway. Ab hier geht’s nur noch nach Norden:

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Ab hier kommt auch der gute “Milepost” zum Einsatz: Meile für Meile erklärt diese “Bibel” eines jeden Yukon- und Alaska-Reisenden, wo man was findet, von der Tankstelle über den kleinsten Rastplatz bis hin zu Straßenschäden und Karibu-Herden. Ein unverzichtbarer Begleiter.

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Schon gleich nach der Abzweigung auf den Cassiar Highway befinden wir uns in der völligen Einsamkeit. Und so schlagen wir unser “Nachtlager” an einem herrlichen kleinen See nicht weit vom Highway entfernt auf.

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Sieht eigentlich sehr friedlich aus, aber was uns hier erwartet, übertrifft alle Befürchtungen: nicht nur UNS gefällt’s hier, sondern scheinbar auch allen Moskitos Kanada’s. Es ist unmöglich, das Auto zu verlassen und wir ersparen uns sogar jegliche Abendtoilette inklusive Zähneputzen. Man kann auch nicht warten, bis es dunkel wird – wird’s nämlich hier fast gar nicht mehr. Kaum ist die Sonne untergegangen, geht sie auch schon wieder auf. Nachdem alle chemischen, biologischen und technischen Waffen gegen die Biester versagen, wollen wir jetzt auf den Rat der Einheimischen hören: “Einfach ignorieren!” Na ja, nicht so einfach. Aber das wilde Fuchteln mit den Armen erspart zumindest jegliche weitere Morgengymnastik…

An der Meziadin Junction verlassen wir den Cassiar Highway und biegen auf die Straße nach Stewart und Hyder ab. Hier beginnt die Panoramastraße über die Coast Mountains. Man sieht links und rechts die leuchtenden Schneefelder der Berggipfel und ewige Gletscher blau-weiß blitzen.

Höhepunkt der Strecke ist der Bear Glacier, der bis zum Strohn Lake herunterkommt. Wir sind beeindruckt von dem gigantischen Anblick, aber auch entsetzt, wie schnell sich der Gletscher in den letzten Jahren zurückgezogen hat, vergleicht man ihn mit einem Foto aus einem etwas älteren Reiseführer:

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Bald erreichen wir Stewart, den Grenzort zu Alaska. Hier herrscht fast immer Winter. Es gibt nur einen einzigen frostfreien Monat, den Juli. So manch einer stellt sich hier auf die rauen Klimaverhältnisse ein:

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Der noch kleinere und verlassenere Ort Hyder liegt auf der US-Seite. Wir passieren – völlig unspektakulär – den Grenzübergang und setzen zum ersten Mal unseren Fuß auf Alaska-Boden!

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Hier in Hyder sind wir nochmal eine Zeitzonen-Stunde entfernt – also schon 10 Stunden hinter Deutschland. Der kleine Ort ist wie ausgestorben, obwohl die Bars dafür bekannt sind, dass sie 23 Stunden am Tag geöffnet sind. Hier ist absolut nichts los. Immerhin legt einmal in der Woche eine Fähre aus Ketchikan an. Wenn man dem Portland Canal folgt, erreicht man nach langer Fahrt direkt den Pazifik:

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Selbst die Grenzbeamten scheinen sich hier zu langweilen und stürzen sich bei unserer Wiedereinreise nach Kanada auf uns mit unzähligen Fragen – endlich gibt’s was für sie zu tun. Aber inzwischen sind wir Profis beim Beantworten aller Fragen, die so ein Grenzbeamter haben kann… und so schnell wie wir in Alaska waren, so schnell sind wir wieder zurück in Kanada:

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Von hier geht’s immer geradeaus – die nächste Abzweigung kommt erst in 605 Kilometern!

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Die Landschaft ist sehr schön: Wälder, Seen, Flüsse, Gletscher, und ab und zu auch mal ein Bär am Straßenrand:

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Manche Bären sind sogar sehr zutraulich…

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Immer wieder kommen wir an wunderschönen Seen vorbei, wie hier dem Dease-Lake und dem Boya-Lake – so stellt man sich Kanada vor. Auch so manche Campgrounds liegen sehr malerisch an kristallklaren Seen – wenn nur nicht die Mücken wären!!

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Ja, die Mücken!! Und so sieht unsere Stoßstange nach einem Fahrtag auf dem Highway aus:

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Man kann gar nicht oft genug die Scheiben putzen, um überhaupt noch was zu sehen…

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Nach 724 Kilometern auf dem Cassiar Highway verlassen wir British Columbia und erreichen Yukon, den nächsten Bundesstaat Kanada’s. Hier trifft der Cassiar Highway auf den Alaska Highway, auf dem wir jetzt unsere Fahrt nach Alaska fortsetzen.

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Jetzt freuen wir uns auf die Zivilisation und auf den ersten größeren Ort. “Watson Lake” klingt fast ein bisschen nach “hier bekommt man alles” – aber weit gefehlt, außer einem kleinen Supermarkt, einer Tankstelle und ein paar kleineren Läden ist hier nicht viel los.

Die Hauptattraktion ist der Sign Post Forest, der Schilderwald. Alles begann 1942, als ein heimwehgeplagter Arbeiter ein Schild mit der Entfernung zu seinem Heimatort an einen Baum nagelte.

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Seit der Alaska Highway befahren wird, wächst die Sammlung unaufhörlich. Inzwischen gibt es bereits über 75.000 Schilder aus aller Welt. Man findet hier tausende Autokennzeichen und geklaute Ortsschilder.

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Es ist gar nicht einfach, in einer der zahlreichen Pfahlreihen noch ein kleines Plätzchen für sein eigenes mitgebrachtes Schild zu finden. Uns haben es natürlich vor allem die bayrischen Schilder angetan – auch wenn sie ein bisschen Heimweh hervorrufen…

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Im Visitor Center schauen wir noch einen interessanten Film über den Bau des Alaska Highway im Jahre 1942 an und statten uns mit Broschüren über Yukon aus, bevor wir uns auf dem Alaska Highway auf die Fahrt nach Whitehorse begeben.

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Die Landschaft unterscheidet sich kaum von der British Columbias. Wälder, Seen, Flüsse, Berge, Wälder, Seen, Flüsse, Berge, Wälder, Seen, Flüsse, Berge etc. etc.

Bei Teslin, einem kleinen Dorf der Tlingit Indianer, überqueren wir den Teslin River…

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… bis wir schließlich in Whitehorse ankommen. Zu unserer großen Freude und Überraschung treffen wir hier mal wieder auf Gabi und Edu aus Unterhaching. Eigentlich sollten und wollten die beiden schon über alle Berge sein, da sie ja durch unsere Unterbrechung einigen Vorsprung haben. Leider haben die beiden aber Probleme mit dem Auto und warten nun schon seit einer Woche auf Ersatzteile aus Deutschland. Ärgerlich, aber die beiden nehmen’s mit Humor und Geduld – und wir freuen uns, sonst hätten wir sie vielleicht nie wieder eingeholt.

In Whitehorse befinden wir uns nun zum ersten Mal direkt am Yukon. Für uns sehr beeindruckend und ein bisschen emotional, da für uns beide bereits seit unseren Abenteuerbüchern der Kindertage der Yukon ein Synonym für Abenteuer und Goldrausch ist.

Wir wandern am Miles Canyon hoch über dem Yukon entlang:

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Will man einen richtigen Eindruck von der unendlichen Wildnis bekommen, ist der beste Weg immer noch mit dem Flugzeug oder Kanu.

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Das Wahrzeichen von Whitehorse ist der Raddampfer “SS Klondike”, einst das schönste und größte Schiff auf dem Yukon:

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Ansonsten bekommt man in Whitehorse alles was der Abenteurer benötigt, um in der Wildnis zu überleben, oder um sich von den Strapazen der Wildnis zu erholen. Nach einer ausgiebigen Dusche vervollständigen wir unsere Vorräte, leider zusammen mit Hunderten von anderen Wohnmobilfahrern, und bereiten uns auf die nächste Etappe Richtung Norden vor. Die Tage sind übrigens hier unendlich lang – jetzt schon 19 Stunden. Die Sonne geht um 23:32 h unter und um 4:28 h schon wieder auf. Es ist sehr ungewohnt und kostet einige Disziplin, bei Sonnenschein in’s Bett zu gehen. Aber das wird in den nächsten Tagen und Wochen noch extremer…

 

Unsere Strecke von Burns Lake nach Whitehorse (1.583 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 33.051 km.

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Blog erstellt am 17.06.2014 bei Whitehorse, Kanada.

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