Die Abstände zwischen unseren Blog-Etappen werden immer kürzer: erst vor zwei Tagen haben wir unseren letzten Blog hochgeladen und schon hat sich wieder so viel ereignet, dass es schon wieder Zeit wird für einen neuen Eintrag!
Wie im letzten Blog schon erwähnt, haben wir uns nun definitiv entschlossen, den “Abstecher” nach Prudhoe Bay zum Eismeer zu machen. Viele Reisende warnen uns: die letzte Woche gab es extrem viel Regen, einige Strecken sind kaum befahrbar, man bräuchte mindestens 2 Ersatzreifen, und auf eine kaputte Windschutzscheibe müssten wir uns sowieso gefasst machen. Außerdem gibt es auf der 800 Kilometer langen Strecke nur 3 Tankstellen (PKW-Diesel ist nicht immer verfügbar). Die letzten 400 Kilometer sind ohne jegliche Versorgungseinrichtung. Wenn man abgeschleppt werden muss, dann wird’s richtig teuer, da der Abschleppwagen extra aus Fairbanks kommen muss. Das macht ja so richtig “Lust”!!
Trotz dieser Schauergeschichten machen wir uns am 22. Juni auf den Weg. Ca. 150 Kilometer nördlich von Fairbanks beginnt der berühmt-berüchtigte Dalton Highway:
Ende der 60er Jahre wurde im Eismeer bei Prudhoe Bay Öl gefunden. Hierfür wurde der “Highway” gebaut, um Bohrgeräte etc. von Fairbanks aus dorthin zu bringen. Es handelte sich um eine reine Straße zum Materialtransport mit Lastwägen. Erst 1994 wurde die Straße auch für Privatverkehr frei gegeben, aber auch heute noch verbieten die Wohnmobil- und PKW-Verleiher eine Fahrt nach Prudhoe Bay. Man findet dementsprechend wenig Privatautos, sondern hauptsächlich Schwerlastverkehr…
Gleich auf den ersten Kilometern bekommen wir einen Vorgeschmack auf die Strecke: der starke Regen der letzten Tage hat tatsächlich die Straße aufgeweicht, und über viele Kilometer schlittern wir im nassen Matsch. Die großen LKW’s haben grundsätzlich Vorfahrt, und da sie oft in rasender Geschwindigkeit auf einen zukommen und einem Steine entgegenschleudern, rettet man sich am besten in den Straßengraben, um größere Schäden an der Windschutzscheibe zu vermeiden. Dies ist natürlich bei den aufgeweichten Straßengräben besonders delikat…
Hier ein Beispiel für eines dieser “Monster”:
Oft führt der Highway in schier endloser Länge immer geradeaus, aber oft ist auch für Abwechslung gesorgt, wie hier bei der Fahrt auf den Yukon zu, der auf einer langen Brücke überquert wird, oder beim sogenannten Roller Coaster. Man fühlt sich tatsächlich wie bei einer Achterbahnfahrt:
Nach 185 Kilometern auf dem Dalton Highway erreichen wir den Arctic Circle. Hier stehen wir genau auf dem 66,33. Breitengrad, wo am 21. Juni die Sonne nicht untergeht. Bei unserer Reiseplanung hatten wir gar nicht dran gedacht, aber wir sind am 22. Juni hier. Ein toller Zufall. Ab jetzt kommen wir in den Genuss von 24 Stunden Sonnenschein (wenn sie denn scheint) pro Tag!
Hier stellen wir fest, dass unsere beiden GPS-Geräte plötzlich nicht mehr funktionieren. Die fehlende Nacht bringt sie völlig aus dem Konzept und nur mit Re-Set und viel technischen Überredungskünsten bringt Herr Dipl.-Ing.Thomas Ernst sie wieder zum Laufen.
Hier noch ein interessanter Vergleich: das linke Bild stammt vom 18. Juni (Kanada). Hier ging die Sonne noch um 00:10 h unter und um 04:32 h wieder auf. Auf dem rechten Bild sind wir am 22. Juni in Alaska etwas nördlich des Arctic Circle. Hier kann man gut sehen, dass es keinen Sonnenuntergang und keinen Sonnenaufgang mehr gibt! In Deadhorse geht die Sonne sogar erst in einem Monat, am 24. Juli, wieder unter!!
Wir sind natürlich total begeistert von diesem Phänomen und den nie enden wollenden Tagen. Nur das Schlafen klappt nicht so richtig. Man schaut die ganze “Nacht” immer wieder aus dem Fenster, weil man nicht glauben kann, dass die Sonne immer noch scheint – um 00:00 h, um 01:00 h, um 02:00 h, um 03:00 h etc. etc.
Während der gesamten Fahrt führt die Straße immer mal wieder, mehr oder weniger direkt, an der Trans Alaska Ölpipeline entlang.
Als man 1968 die Ölvorräte in Prudhoe Bay entdeckt hatte, wurde eine Pipeline als einzige durchführbare Lösung betrachtet, das Öl zum nächsten eisfreien Hafen im 1.280 Kilometer entfernten Valdez zu transportieren. Die Pipeline, deren Durchmesser 1,22 Meter beträgt, wurde zwischen März 1975 und Mai 1977 für insgesamt 8 Mrd. US$ gebaut. In der Hochphase der Bauarbeiten waren hier 21.000 Menschen beschäftigt. Um von Prudhoe Bay im Norden nach Valdez im Süden zu gelangen, braucht das Öl 12 Tage. Auf dem Weg kühlt es sich von 44 Grad auf 14 Grad ab. Die Durchflussmenge pro Tag beträgt 120 Mio. Liter Rohöl!!
Nach 7 Stunden Fahrt erreichen wir Coldfoot, einen kleinen Ort, der ziemlich genau in der Mitte zwischen Fairbanks und Deadhorse liegt. Hier gibt es auch die letzte Tankstelle vor dem Eismeer, d.h. noch schnell volltanken… ein nicht so leichtes Unterfangen, da der ganze Platz völlig aufgeweicht ist und Thomas bis zu den Knöcheln im Schlamm steht! Die nächste Tankstelle gibt’s dann erst wieder in ca. 400 Kilometern!
Coldfoot hat ein extrem schönes Visitorcenter mit sehr nettem Personal. Man erfährt hier alles, was man wissen möchte, und man darf sich sogar einen Film aussuchen, den man dann im sehr modernen “Theater” anschauen kann. Wir entscheiden uns für einen sehr interessanten Film über die Gegend incl. ihrer Bewohner und Besucher, sowie Winterlandschaft, Wanderungen und Tiere.
Einziger wirklich für uns unangenehmer Bestandteil des Visitor Centers ist eine hinterlistige grüne Tafel am Eingang mit der Überschrift “Wetterbericht”. Als wir sie studieren, lesen wir viele hässliche Wörter wie Regen, Wolken, Sturm, Gewitter, Wolkenbrüche etc. – und das für die nächsten drei Tage. Wir beraten uns wieder, ob wir nicht doch abbrechen sollen, aber wir entschließen uns für die Weiterfahrt, da wir auch schon den organisierten Ausflug von Deadhorse zu den Ölfeldern am Eismeer gebucht und bezahlt hatten. ZUM GLÜCK – denn der amerikanische Wetterbericht ist wohl auch nicht besser als der deutsche – nämlich völlig daneben: an den nächsten beiden Tagen haben wir wunderschönen Sonnenschein…
Wir übernachten in Coldfoot am Marion Creek Campground. Ein herrlicher Campingplatz für nur 8 Dollar. Wirklich herrlich. Bis wir zum ersten Mal die Tür aufmachen! Myriaden von Moskitos haben wohl nur auf UNS gewartet. Das Auto ist innerhalb weniger Sekunden von Heerscharen von Mücken bevölkert. Nur mit Gesichtsschutz und einem elektrischen Schläger bewaffnet, der die Biester noch im Flug versengt (die beste Erfindung, die es jemals gab), kann man es aushalten. Aussteigen geht gar nicht!
Hier der “Terminator” im Kampfanzug:
Wir beneiden die anderen Wohnmobile, die man eigentlich nie verlassen muss. Wir dagegen müssen jedes Mal, wenn wir schlafen oder essen wollen, größere Umbauarbeiten an unserem Auto vornehmen. Zeit genug für die Moskitos, um bei offenen Türen wieder reinzukommen. Auch Zähneputzen geht nur bei lockerem Dauerlauf um’s Auto rum – bloß nicht Anhalten.
Am nächsten Tag geht’s bei herrlichstem Wetter, und (kaum zu glauben, aber wahr) bei für einige Meilen herrlichster Straße weiter. Gleich hinter Coldfoot erreichen wir die höheren Berge, wie hier den Sukakpak Mountain:
Kurz darauf geht’s auf den höchsten Punkt der Fahrt, den Atigun Pass mit 1.422 Metern. Unser Bus schnauft schon ganz schön, als er sich die Schotterstraße hinauf quält. Hier liegt noch jede Menge Schnee und es bläst ein starker, eiskalter Wind.
Aber danach geht’s in einer schnellen Schussfahrt wieder hinunter, bis wir kurz danach an einer Baustelle gestoppt werden. Während der 15 Minuten Wartezeit auf ein Pilotauto unterhalten wir uns sehr nett mit dem Arbeiter, und wir sind völlig perplex, als er plötzlich seinen Schwamm holt und unsere Scheinwerfer putzt. Wirklich sehr nett, die Leute hier!!
Das Pilotauto bringt uns über viele Kilometer sicher durch die Baustelle, bis wir unsere Fahrt dann alleine auf der mehr oder weniger guten Straße fortsetzen können:
Man wird auch immer mal wieder daran erinnert, dass man höllisch aufpassen muss und dass die Konzentration nie nachlassen darf:
Irgendwann am späten Nachmittag kommen wir dann endlich in Deadhorse an. Deadhorse ist der trostloseste Ort, den man sich vorstellen kann. Deshalb gibt es auch nur 3 Einwohner, dafür aber mehrere tausend Arbeiter, die im 2 Wochen-Rhythmus hier arbeiten – 2 Wochen arbeiten – 2 Wochen frei. Anders kann man es hier auch nicht aushalten. Deadhorse besteht eigentlich nur aus Ölpumpen und Containern. Man wohnt in Containern, und selbst das beste Hotel am Platz, das Aurora Hotel & Suites (die Nacht für 200 US$ plus) besteht aus Containern. Die Häuser stehen alle auf Stelzen, damit sie beim Tauen des Permafrostes nicht einsinken.
Bis hierher und nicht weiter. Ab hier darf man nur noch mit dem organisierten Arctic Ocean Shuttle weiter zu den Ölfeldern und zum Arktischen Ozean. Dies ist dann auch für uns der nördlichste Punkt, den man mit dem Auto erreichen kann:
Wir übernachten gleich am Ortseingang, damit wir am nächsten Morgen pünktlich um 08:15 h am Deadhorse Camp eintreffen, von wo unsere gebuchte Tour durch die Ölfelder zum Eismeer beginnt.
Und endlich ist es soweit! Wir stehen direkt am Eismeer. Ein sehr emotionaler Augenblick! Obwohl das Meer noch fast komplett zugefroren ist, finden wir einige Stellen, wo wir zumindest unsere Füße hineinstrecken können. Unglaublich kalt, aber nur so gehören wir zum offiziellen Club der Polarbären:
Wir können uns gar nicht satt sehen und genießen jeden Augenblick. Es ist unvorstellbar, dass von hier ab nichts mehr kommt. Nur noch der Nordpol in ca. 2.300 Kilometern Entfernung …
Nach 2 Stunden sind wir zurück am Deadhorse Camp. Die Fahrt war nicht billig (pro Person 59 US$), hat sich aber auf jeden Fall gelohnt. Sehr beeindruckt und glücklich machen wir uns auf den Weg zurück nach Fairbanks.
Hier oben sehen wir auch viele Karibu-Herden:
Auf dem ersten Teil der Rückfahrt (bis Coldfoot) begleitet uns herrlichster Sonnenschein. Leider schlägt dann am nächsten Tag das Wetter um, und die letzten 400 Kilometer bis Fairbanks wird’s dann nochmal so richtig nass und dreckig – dementsprechend sieht dann am Ende auch unser Auto aus:
Als wir am Abend (dem 4. Tag unseres Abenteuers) in Fairbanks ankommen, führt unser erster Weg dann auch gleich in die Waschanlage:
Jetzt wollen wir noch einen Tag in Fairbanks verbringen, um alles wieder in Ordnung zu bringen, und dann geht’s weiter zum Denali-Nationalpark, wo hoffentlich wieder die Sonne scheint, damit wir zumindest einen kurzen Blick auf den Mount McKinley, den mit 6.194 Metern höchsten Berg von Nordamerika, werfen können…
Unsere Strecke von Fairbanks zum Eismeer und zurück (1.600 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 35.591 km.
Blog erstellt am 28.06.2014 in Fairbanks, Alaska.