Dienstag, 15. Dezember 2015

70: Argentinien: Fitz Roy, Cerro Torre, Perito Moreno (29.11.-05.12.2015)

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Das “Borderhopping” geht weiter. Da Südamerika hier unten so schmal ist, wechseln wir immer öfter zwischen Chile und Argentinien. Und so reisen wir am 29. November – es ist der erste Advent – nach genau einem Monat mal wieder nach Argentinien ein.













Der Grenzübertritt Jeinemeni zwischen Chile Chico und Los Antiguos stellt sich als der schnellste und unkomplizierteste der Reise heraus. Unsere Daten sind bereits im Computer hinterlegt, und für unser Auto interessiert sich keiner, nicht mal der Hund. Heute ist Sonntag, und er scheint auch kein Interesse am Durchschnüffeln zu haben. Dabei haben wir wie immer brav am Vorabend alles aufgegessen, was nicht eingeführt werden darf. Die ständigen Grenzübertritte sind schuld daran, dass wir schön langsam wieder zunehmen!

Nach nur zehn Minuten sind wir wieder in Argentinien und sind erstaunt, wie extrem sich die Landschaft hier ändert. Über Hunderte von Kilometern geht es durch Wüstenlandschaft, ein starker Kontrast zu der üppigen Vegetation der letzten Wochen auf der Carretera Austral. Im Ort Perito Moreno gibt’s noch schnell Diesel für den Bulli und eine heiße Dusche für uns, und dann sehen wir nur noch flache Wüste.





Die einzige Abwechslung sind vereinzelte Nandus, die südamerikanischen Geschwister der Straußenvögel, die allerdings so schnell durch die Gegend sausen, dass unsere kleine Kamera (die große ist immer noch kaputt) mit dem Fotografieren nicht hinterherkommt. Und jede Menge Guanacos, die oft aus dem Nichts über die Straße schießen.































Die Guanacos gehören zu den Andenkamelen und sind die größten der Familie und auch die einzigen, die man im Süden antrifft. Durch Schutzprogramme haben sich die Bestände in Patagonien so erhöht, dass man sie in wahren Massen antreffen kann. Wie die Vicunas in den hohen Anden ist auch das Guanaco nicht als Haustier domestiziert. Traurig ist nur, dass viele der Guanacos die Straße überqueren und gerade die Jungen es zum Teil nicht schaffen, über die hohen Zäune zu springen. Immer wieder sieht man links und rechts der Straße Tiere, manchmal noch lebend, manchmal nur als ausgebleichtes Gerippe, an den Stacheldraht-Zäunen hängen. Ein deprimierender Anblick.

Über den Zustand der Ruta 40 haben wir wieder so viele Schauermärchen gehört, dass wir sogar überlegt hatten, den großen Umweg über die Atlantikküste zu nehmen. Umso überraschter sind wir, dass von den 500 Kilometern zwischen dem Ort Perito Moreno und El Chaltén nur 67 Kilometer Schotter sind! Der aber hat’s in sich. Aber wir haben Glück, die Sonne scheint, und der zum Teil lehmige Boden ist gut befahrbar.













Ein Bekannter (armer Willi!) ist hier vor ein paar Wochen im knöchelhohen Lehm steckengeblieben und musste über zehn Kilometer von einem Traktor abgeschleppt werden! Aber es gibt immer noch eine Steigerung. Dieser Lastwagen hat die Fahrt über die Rüttelpisten gar nicht überstanden und ist in der Mitte auseinandergebrochen:



Nach vielen Stunden Fahrt biegen wir um die Ecke und sehen plötzlich von Weitem das Fitz-Roy-Massiv. Über viele Kilometer geht die Straße geradeaus und man kommt diesem atemberaubenden Massiv immer näher.



Das Wetter könnte schöner nicht sein. Keine Wolke am Himmel. ABER… der berühmt-berüchtigte patagonische Sturm bläst mit einer solchen Wucht, dass es oft nicht möglich ist, die Autotür von innen zu öffnen. Wo nur sollen wir übernachten, um nachts nicht umzukippen? Kurz vor El Chaltén finden wir am Straßenrand eine Kiesgrube und somit ein relativ geschütztes Plätzchen für die Nacht.




























Der Blick vom Dachgeschoss ist natürlich nicht zu toppen:



Bevor wir uns am nächsten Morgen aufmachen, um endlich mal wieder zu wandern, machen wir noch eine kleine Runde durch El Chaltén, den netten kleinen Ort direkt am Fuße des Massivs. Hier herrscht eine wunderschöne Stimmung. Man sieht nur Bergsteiger, kaum mal einer, der keinen der großen Rucksäcke auf dem Rücken schleppt. Sogar wir – ha ha…



Hier dreht sich alles ums Wandern, wie ein kleines Chamonix…

































Unsere erste Wanderung führt uns auf einem sehr schönen Wanderweg hinauf zur Lagune des Cerro Torre.






Wir sind begeistert von den schönen Wegen hier. Alles sehr gepflegt, schön angelegt, sehr gut markiert, immer wieder mit Markern, wie weit es noch ist etc. Und dabei ist der Eintritt in diesen Teil des Nationalparks Los Glaciares kostenlos. Unglaublich! Mit diesem schönen Blick auf das atemberaubende Massiv des Cerro Torre wandern wir die neun Kilometer zur Lagune hinauf:































Man muss aufpassen, dass man nicht stolpert, denn man möchte gar nicht auf den Weg schauen, zu schön ist der Blick zu den Bergen.






Nach gut zwei Stunden erreichen wir die Lagune, in der Eisberge treiben, die vom Gletscher abgebrochen sind.































Viele Menschen sitzen am Ufer, aber es ist erstaunlich ruhig. Jeder ist so überwältigt von der Landschaft, dass man kaum Stimmen hört, nur das gelegentliche Krachen, wenn mal wieder ein Eisbrocken abbricht.






Wir verbringen auch die zweite (und dann auch noch die dritte) Nacht in unserer geschützten Kiesgrube und machen uns am nächsten Tag auf den Weg zum Fitz Roy. Wieder ist der Weg sehr gut markiert.





























Schon bald erreichen wir die Laguna Capri, von wo aus wir den ersten tollen Blick auf den Fitz Roy (3.405 m) genießen können.








Wir lassen die Lagune hinter uns und wandern weiter auf dem wiederum sehr schönen Wanderweg, der uns zum Basislager des Fitz Roy bringt, immer im Blick den tollen Berg.































Am Basislager haben sich viele Wanderer eingefunden, es liegt schön versteckt zwischen vielen Bäumen, denn sonst könnte man es hier im starken Wind überhaupt nicht aushalten. Und der Blick ist natürlich mal wieder der “one-million-dollar-Blick”.







Auch wir schauen beim Abstieg immer wieder zurück und sind sehr glücklich, dass uns gerade in diesen Tagen das Wetter so wohl gesonnen ist. Denn der Fitz Roy heißt auch “El Chaltén”, was in der Sprache der Einheimischen so viel bedeutet wie “der, der immer in Wolken ist”.





Wieder unten in El Chaltén füllen wir unsere Wasser- und Brotvorräte auf, denn am nächsten Morgen wollen wir weiter fahren. Wir verbringen unsere dritte Nacht in der Kiesgrube. Natürlich genießen wir genauso wie am ersten Tag diesen unbeschreiblich schönen Blick auf das gesamte Massiv des Cerro Torre und Fitz Roy:





Am nächsten Morgen sind wir grade zur Abfahrt bereit, als plötzlich auf der Straße ein Auto hupend neben uns anhält. Es sind Daniel/Danielle. Dieses unerwartete Wiedersehen muss natürlich gefeiert werden, und Daniel hat auch die passende Flasche Rotwein dafür bereit. Mit einer kleinen Verspätung von fünf Stunden machen wir uns schließlich auf den Weg nach El Calafate, das nächste Highlight unserer Reise.

Der Weg dorthin führt wieder durch wüstenähnliche Landschaft, wobei man immer wieder an türkisen oder blauen Seen vorbei kommt.




























In El Calafate halten wir uns nicht länger auf, denn wir erfahren, dass das Wetter bald umschlagen soll, und wir wollen doch unbedingt den Perito-Moreno-Gletscher bei gutem Wetter erleben. Es ist schon spät, und wir verbringen die Nacht neben der Straße an einem Fluss. Hier sehen wir erst, dass wir nicht alleine unterwegs sind. Camper und Touristenbusse aus aller Herren Länder fahren an uns vorbei, und ab sechs Uhr morgens ist an Schlafen nicht mehr zu denken. Auch wir machen uns früh auf, um den Gletscher zu sehen, bevor der große Touristenstrom kommt. Aber zuerst müssen wir die Eintrittsgebühr von 15 Euro bezahlen.





Und dies ist unser erster Blick auf den Perito-Moreno-Gletscher – einfach Wahnsinn!





Die Eiswand (Gletscherzunge) des Perito-Moreno-Gletschers ist 60 Meter hoch und fünf Kilometer breit. Der Gletscher schiebt sich ganz nahe an die Halbinsel Magallanes heran, so dass man den Blick wirklich aus allernächster Nähe genießen kann:














Der Perito-Moreno-Gletscher ist nicht nur auf Grund seiner Schönheit eine Besonderheit, er ist auch einer der wenigen Gletscher weltweit, die wachsen, während die meisten Gletscher langsam abtauen. Der Perito-Moreno-Gletscher fließt schneller nach, als er unten am Ende abtaut.
Ein weitläufiges Netz aus Metallstegen wurde angelegt, so dass man den Gletscher aus wirklich jeder Perspektive bewundern kann.















Obwohl sich immer mehr Menschen ansammeln, ist es wieder erstaunlich ruhig. Jeder ist beeindruckt, und das einzige Geräusch sind die laut knackenden und krachenden Eisbrocken, die immer wieder abbrechen und unter ohrenbetäubendem Lärm in den See fallen.





Manche der haushohen Eisbrocken verursachen auch am gegenüberliegenden Ufer noch hohe Wellen:








Um dem Gletscher noch näher zu kommen, kann man auch eine Bootsfahrt buchen. Doch sehr nahe trauen sich die Boote nicht an die Eiswand heran, zu viele Eisbrocken fallen gerade um die Mittagszeit herab, und immer wieder drehen die Boote hektisch ab, wenn mal wieder eine größere Welle naht.





Uns genügt der Blick von gegenüber, denn wir können uns nicht vorstellen, einen noch näheren Blick vom Boot aus zu bekommen.





Vom Eingang werfen wir noch einen Blick zurück und sehen gerade von hier aus die Ausmaße des Gletschers. Der untere Teil erstreckt sich über 14 Kilometer nach hinten und auch der Blick von oben auf das Eisfeld ist mehr als beeindruckend. Man kann sich kaum vorstellen, dass man sich hier nur 200 Meter über dem Meer befindet!



Nach fünf Stunden verabschieden wir uns tief beeindruckt von diesem Naturschauspiel und sind uns einig: dieser Besuch des Perito-Moreno-Gletschers verdient das Prädikat “bisheriges Highlight unserer Reise”. Wir können uns nicht vorstellen, dass dieses atemberaubende Erlebnis noch zu toppen ist, freuen uns aber auf das nächste Highlight, den Torres del Paine Nationalpark in Chile, dessen toller Anblick dann im nächsten Blog zu bewundern ist.


Unsere Strecke von Chile Chico zum Torres del Paine NP (1.412 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 84.125 km.



Blog erstellt am 09.12.2015 in Puerto Natales, Chile.

4 Kommentare:

Jogi R. hat gesagt…

Herzlichen Glückwunsch zu diesem fantastischen Wetterglück am Fitz Roy! Da kann man wirklich nur zu gratulieren! Herrliche Bilder, die ihr da machen durftet.
Alles Gute + weiter gute Reise,
Jogi

derplum hat gesagt…

Liebe Claudia, lieber Thomas, spektakulär! Vielen Dank für die tollen Fotos.
Wie beneiden Euch und senden die besten Grüsse an Ende der Welt.
Judith und Volker mit Clara.

Kristine und Nils hat gesagt…

Hallo Ihr zwei! Wow, tolle Fotos! Und dann am Perito Moreno einen abbrechenden Eisberg aufs Foto zu bekommen: toll!!! Hat wieder viel Spaß gemacht Euren neuesten Bericht zu lesen! Das macht Lust auf die nächste Auszeit... Lasst es Euch gutgehen und weiterhin gute Reise! Kristine und Nils

Axel und Antonia hat gesagt…

Viele Weihnachtsgrüße aus dem fernen Deutschland senden wir euch! Das sind sehr schöne Fotos von einer total beeindruckenden Gegend, manchmal ein komisches Gefühl, wenn man vor etwas mehr als einem Jahr selbst dort war ;-)!
Habt schöne Weihnachtsfeiertage mit guten Begegnungen mit anderen Overlandern und einen guten Rutsch in ein spannendes Jahr 2016!
Viele Grüße
Axel und Antonia