San Francisco haben wir nun hinter uns gelassen. Ebenso den berühmtesten und am meisten befahrenen Abschnitt des Highway 1. Ab jetzt soll’s einsamer werden. Und auch für uns beginnt hier Neuland.
Gleich kurz hinter der Golden Gate Bridge machen wir uns auf die Suche nach dem Bay Museum in Sausalito, wo wir uns auf ein maßstabsgetreues und riesengroßes Modell der San Francisco Bay freuen. Hier werden Gezeiten simuliert, und so kann man sehen, wie sich Umweltverschmutzung etc. auf das Wasser in der Bay auswirken. Wir sind sehr enttäuscht, dass es gerade am Montag geschlossen ist! Hätten wir doch mal besser in den Reiseführer geschaut!
Wir begnügen uns deshalb mit einem Rundgang durch Marine City, einer kleinen Stadt, die ausschließlich aus Hausbooten besteht.
Ab Sausalito folgen wir wieder der A1 und machen unseren ersten Stopp in der Point Reyes National Seashore. Bei schönstem Wetter erreichen wir Olema. Im Bear Visitor Center erfahren wir, dass wir uns genau auf dem Andreas-Graben befinden. Hier stoßen die pazifische und die nordamerikanische Platte aneinander. 1906, bei dem schwersten Erdbeben in der Region, wurde die Erde hier um 7 Meter auseinandergerissen. Genau auf diesem ehemaligen Riss befindet sich heute ein Wanderweg, der sehr anschaulich auf Tafeln verschiedene Aspekte und Fakten zu Erdbeben vermittelt, u.a. Vorsorge, die man treffen sollte, falls man sich in Erdbebengebieten aufhält.
Seit Jahren hat es kein schweres Erdbeben gegeben, deshalb rechnet man jederzeit mit dem “Big Bang”. Nachdem es gerade jetzt in den letzten Wochen zwei mittelschwere Erdbeben gegeben hat, mehren sich die Anzeichen, dass es jetzt irgendwann passiert. Aber hoffentlich nicht grade, wenn wir hier sind! Auch vor Tsunamis wird man immer wieder gewarnt, ebenso über die zu ergreifenden Maßnahmen, falls die Sirenen einen solchen ankündigen.
Vor ein paar Tagen wurden wir von einer Sirene aus dem Schlaf gerissen – wir machten sofort das Autoradio an, um zu erfahren, was passiert ist (wir campen zur Zeit in unmittelbarer Nähe zum Meer). Zum Glück aber keine Gefahr…
Nach unserer Wanderung auf dem Earthquake Trail machen wir uns bei herrlichstem Wetter über den Sir Francis Drake “Boulevard” auf zum Point Reyes. Bereits nach ein paar Kilometern tauchen wir in dichten Nebel ein, es wird kalt, dunkel, ungemütlich. Dass der Point Reyes der windigste Punkt der USA ist, kann man schon am Baumbewuchs sehen:
Wir steigen die 300 Stufen hinunter zum Point Reyes Leuchtturm. Es ist sehr ungemütlich, aber die Stimmung passt hier sehr gut. Man kann sich gut in die früheren Leuchtturmwärter hineinversetzen, die hier wochen- und monatelang ohne Internet, Telefon etc. heftigsten Stürmen ausgesetzt waren.
Wir haben großes Glück und können von hier aus Grauwale beobachten, die auf dem Weg von Süden nach Alaska sind.
Wieder können wir kaum glauben, dass nur ein paar Kilometer weiter im Inland die Sonne scheint, eine völlig andere Welt.
Bei unserer Weiterfahrt Richtung Norden passieren wir Bodega Bay. Bodega Bay ist ein kleiner, verschlafener und malerischer Küstenort. Bekannt ist er allerdings dadurch geworden, dass Alfred Hitchcock seinen berühmten Thriller “Die Vögel” dort drehte. Kein Bodega-Besucher, der nicht zumindest einen kurzen Blick auf das Original-Schulhaus wirft.
Trotz Sonnenschein läuft einem hier ein kalter Schauer über den Rücken…
Positive Gefühle werden dagegen wach, wenn man sich Mendocino nähert. Seit wir den Namen auf der Karte gelesen haben, geht uns die bekannte Melodie nicht mehr aus dem Kopf. Einer von uns trällert immer “Mendocino, Mendocino, ich fahre jeden Tag nach Me-hen-do-ci-no”… Als wir uns im Visitor Center als Deutsche outen, hält man uns sofort den ausgedruckten Liedtext unter die Nase mit den Worten: “Do you know Michael Holm?” Aber klar doch – zumindest Claudia war schon als kleines Mädchen ein glühender Fan von ihm.
Mendocino war jahrzehntelang ein Holzfällerort wie so viele andere an der kalifornischen Nordküste. Über die Flüsse wurden die Bäume hierher transportiert und mit Schiffen weiter nach San Francisco. In den 50-er Jahren wurde dieser Ort von Künstlern und Bohemiens entdeckt und ist bis heute ein sehr populärer Touristenort. So populär, dass man keinen einigermaßen erschwinglichen Campingplatz findet. Und da wir in den letzten Tagen sehr kreativ waren in der Wahl der Campingplätze, übernachten wir mal wieder “wild” – auf einem geschlossenen Wanderparkplatz hoch über dem Meer, direkt an der Steilküste.
Am Abend genießen wir einen herrlichen Sonnenuntergang – der Platz gefällt uns richtig gut. Er hat zwar keinerlei Facilities (die Toilette ist auch geschlossen), aber dafür kommen wir in den Genuss eines Weckdienstes pünktlich um 7:00 Uhr morgens. Allerdings keine schöne Weckmelodie, sondern nur die aggressiven Worte “Ranger here!! Talk to me!!!” Wir werden aufgefordert, den Platz sofort zu verlassen, da wir auf State Park Gelände sind, der Platz eigentlich geschlossen ist, und sie hier nicht für unsere Sicherheit garantieren können. Schade – hier hat es uns doch sooooo gut gefallen und wir hatten angenommen, dass man uns hier bei dem dichten Nebel nicht finden würde.
Wir machen uns weiter auf den Weg nach Norden, immer noch auf der A1 an der Küste entlang.
Auch hier, im Norden, kann man wunderschöne Ausblicke genießen, jedoch ist es viel einsamer als im Süden, und man kommt immer wieder durch Gebiete mit viel Viehzucht. Kühe, soweit das Auge reicht… In Legget endet dann auch schließlich die A1 und weiter geht’s auf der 101…
Ganz einsam wird’s dann allerdings an der Lost Coast, wohin wir uns für 4 Tage in die Einsamkeit der King Range National Conservation Area zurückziehen. Hier führt lediglich eine einsame Straße über viele Kilometer durch den Wald zum Meer nach Shelter Cove. Außer ein paar Häusern, einem Leuchtturm und einer kleinen Flugzeuglandebahn gibt es hier nicht viel.
Aber ein nettes, sauberes Städtchen. Sauber in jeder Hinsicht:
Wir amüsieren uns immer wieder über diese Hunde-Hinterlassenschaften-Mitnehmbeutel. “Mutt Mitt” muss wohl von einer norddeutschen Firma kommen. “Watt mutt, datt mutt”…
Zu unserem Campingplatz müssen wir wieder zurück in die Berge und zum Teil über abenteuerliche Forststraßen. Aber es lohnt sich: der Tolkan-Campground ist herrlich und einsam oben auf dem Berg gelegen. Trotz der Osterwoche sind wir fast alleine. Es gibt kein Wasser, aber wir kratzen unsere Wasservorräte zusammen, so dass es sogar zum Haarewaschen reicht:
Hier kommt wieder unsere Gießkanne zum Einsatz. Viele Reisende machten sich schon lustig über “das sperrige Ding”, aber wenn sie dann sehen, wie vielseitig sie einsetzbar ist, nämlich Wasser aus dem Fluss holen, den Wassertank nachfüllen, duschen, Haare waschen u.v.m., dann hat sich so mancher auch schon eine zugelegt.
Direkt vom Campground aus machen wir am nächsten Tag eine schöne und lange Wanderung. Auf dem “Horse Mountain Creek Trail” (wir amüsieren uns über die deutsche Übersetzung “Pferd-Berg-Bach-Wanderweg”) geht es auf herrlich weichem Waldboden und mit vielen schönen Blumen über 800 Höhenmeter immer weiter zum Meer hinab. Nach 3 Stunden erreichen wir den Black Beach.
Eigentlich wollen wir am Strand entlang nach Shelter Cove wandern und auf eine gute Seele hoffen, die uns den Berg wieder hinauffährt. Doch leider hat uns die Flut den Weg schon abgeschnitten und wir gehen auf dem gleichen Weg zurück – the long way home. Die letzte halbe Stunde erwischt uns leider noch der Regen, und trotz Endspurt kommen wir wie begossene Pudel wieder “zu Hause” an.
Für die Weiterfahrt entscheiden wir uns anstelle der 101 für die abenteuerlichere Variante durch die King Range, was bedeutet: kilometerlange kurvige, enge und steile Offroadstrecken mit einigen Flussdurchquerungen. Dank des Regens vom letzten Tag sind diese kleinen Bäche erstaunlich groß geworden. Thomas ist begeistert, dass er das Auto endlich mal testen kann für das, was noch kommt. Claudia schimpft leise vor sich hin, dass man das arme Auto so unnötig quälen muss – aber sie sitzt ja auch auf der Seite zum Abgrund, und manchmal ist der Blick aus dem Fenster nichts für schwache Nerven.
Als dann auch noch der Regen einsetzt, sind wir froh, dass wir nach ca. 100 Kilometern endlich Ferndale erreichen.
Ferndale sieht noch heute aus wie eine Stadt im 19. Jahrhundert. Man sieht viele schöne viktorianische Häuser und fühlt sich hier, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Hier in Ferndale wollen wir eigentlich nur eine Nacht bleiben, aber aus einer Nacht wird am Ende eine ganze Woche. Wir campen auf den Humboldt County Fairgrounds. Dies ist das Messegelände für Landwirtschaftsausstellungen. Wir stehen inmitten von Hallen mit Pferden, Schweinen und grasenden Schafen – so nette und ruhige Nachbarn hatten wir noch nie. Außerdem der sicherste Platz, den wir bis jetzt hatten. Die Polizei-Akademie erscheint immer wieder mit mehreren Polizeiwagen und 30 schwer bewaffneten Polizisten, die hier Verhaftungen, Verkehrskontrollen etc. den ganzen Tag lang üben. Wir fühlen uns wie bei den Dreharbeiten zu den amerikanischen “Rosenheim-Cops” – aber zum Glück “gabat’s hia koa Leich’”.
Am Ostersonntag fahren wir mit dem Fahrrad in die Kirche, die Church of the Assumption, und nehmen am feierlichen Ostergottesdienst teil. In einem kleinen Ort wie Ferndale kennt jeder jeden, und so fallen wir natürlich gleich als Aliens auf.
Man lädt uns gleich noch für das Chorkonzert ein, das am selben Abend hier stattfindet. Wir freuen uns und machen uns am Abend zum zweiten Mal mit dem Fahrrad auf den Weg in die Kirche.
Das Konzert gefällt uns sehr gut, der Chor singt Werke von Händel und Haydn, aber auch moderne Songs und Gospels. Danach unterhalten wir uns noch recht nett mit einigen von den Sängern und besuchen dann am Tag darauf Daniel auf seiner Milchfarm. Die ganze Gegend hier (Humboldt County) besteht hauptsächlich aus riesengroßen Farmen mit Milchkühen. Für uns ist es interessant, sich mal alles erklären zu lassen, von der Geburt der Kühe über die Aufzucht, bis zum Melkvorgang.
Wieder stellen wir fest, wie freundlich doch die Menschen hier sind. Eigentlich wollten wir nur kurz bei Daniel Hallo sagen, aber er nimmt sich fast 2 Stunden für uns Zeit, um uns alles ganz genau zu erklären und zu zeigen.
Am Osterdienstag schlägt das Wetter dann endgültig um. Es regnet immer wieder, wird kalt und windig, und wir verbringen die meiste Zeit in der Bücherei, wo man nach Herzenslust im Internet surfen kann. In den Regenpausen machen wir kleine Erkundungen in die nähere Umgebung, wie z.B. in den nächsten größeren Ort Eureka.
Heute morgen dann der Schock. Thomas will seine guten alten Crocs anziehen, die er unter das Auto gestellt hatte. Weg!! Geklaut?? Thomas ist untröstlich, haben sie ihn doch die letzten 5 Jahre auf allen seinen Abenteuern begleitet!!
Wir finden sie später, in einiger Entfernung, in der Nähe von einem Gulli. Einfach weggeschwommen! So viel hat’s heute Nacht geregnet!
Ende gut – alles gut.
Unsere Strecke von San Francisco nach Ferndale (835 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 28.482 km.
Blog erstellt am 25.04.2014 in Eureka, Kalifornien.
1 Kommentar:
Hallo es ZWEI hoffe ihr seid nicht von den Tornado bzw. Hurrikan erwischt worden, und seid wohlauf. Grüße vom oid`n Helli und seiner Irmi
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