Montag, 2. November 2015

67: Argentinien: Aconcagua – Mendoza – Las Lajas (17.-29.10.2015)


Nach unserem Einreisemarathon am Freitag, 16. Oktober (s. letzter Blogeintrag) erreichen wir nun endlich Argentinien.

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Nein, so blau ist der Himmel bei unserer Ankunft leider nicht. Das Wetter ist schlecht, und es ist schon dunkel, als wir uns kurz nach der Grenze einen Platz für die Nacht suchen. Direkt neben der Straße, aber hinter einem Schutthaufen, verbringen wir unsere erste ruhige Nacht in Argentinien.

Weil wir am Vorabend wegen des Wetters und der vorangeschrittenen Stunde nichts gesehen haben, fahren wir noch einmal zurück und wollen zumindest einen kurzen Blick auf den Aconcagua erhaschen. Hier, an der Grenze, wird einem erst mal gezeigt, wo der Hammer hängt:

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Las Malvinas son Argentinas! – Die Falklandinseln gehören zu Argentinien! Obwohl Argentinien im Jahre 1982 den Falklandkrieg nach sechs Wochen gegen die Engländer verloren hat, hat man seinen Stolz.

Kurz bevor wir die Grenze wieder erreichen, kommen wir bei Puente del Inca vorbei, einem der großartigsten Naturwunder Argentiniens. Eine von den Naturgewalten geschaffene Steinbrücke überspannt hier den Río Mendoza.

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Unter der Steinbrücke befinden sich die Ruinen einer alten Badeanlage. Das warme Schwefelwasser der Thermalquellen hat die Felsmauern im Laufe der Jahre gelb gefärbt.

Weiter geht’s zum Aconcagua Nationalpark, dem Grund unserer Rückfahrt Richtung chilenische Grenze.

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Das argentinische Wetter scheint etwas gegen uns zu haben. War es bis vor einer halben Stunde noch klar mit einigen Wolken, zieht sich der Himmel rechtzeitig zu unserer Ankunft zu und verhüllt mal wieder den Aconcagua. Und so verbringen wir die nächsten Stunden:

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Warten – warten – warten. Doch der Berg will sich einfach nicht zeigen. Wir geben enttäuscht auf und begnügen uns mit einem Foto des Aconcagua im Visitorcenter.

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Wir bestaunen die einzelnen Aufstiegsrouten, die an der Südwand mit ihren Gletschern viel anspruchsvoller sind als der Anstieg über die Nordseite. Kein Wunder, dass man hier bekannte Namen findet wie Reinhold Messner oder Matthias Zurbriggen, der Erstbesteiger des Aconcagua.

Etwas enttäuscht machen wir uns auf den Rückweg und besuchen noch den Friedhof, auf dem die Bergsteiger beerdigt sind, die am Aconcagua ihr Leben lassen mussten.

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Ein ergreifender Ort. Die Gräber sind dekoriert mit persönlichen Dingen wie Karabiner oder Bergstiefel, die die Opfer bei ihrem Absturz dabei hatten.

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Und weil wir uns noch nicht geschlagen geben, beschließen wir, noch einmal eine Nacht auf unserem Straßenplatz zu verbringen. Vielleicht haben wir ja  morgen früh mehr Glück mit dem Wetter! Am Nachmittag machen wir noch eine schöne Wanderung im Nationalpark.

Und das Warten hat sich gelohnt: strahlend blauer Himmel am Morgen. Ohne Frühstück und Morgentoilette fahren wir schnell wieder zurück Richtung Grenze, glücklich, dass wir gewartet haben. Gleichzeitig mit uns trifft die Wolkendecke ein. Das gibt’s doch nicht! Trotzdem stapfen wir den schönen, 5 Kilometer langen Rundweg durch den Schnee bis zum Aussichtspunkt. Und trotz Wolken können wir ihn endlich sehen! Den Aconcagua, den mit 6.962 m höchsten Berg der südlichen Hemisphäre, den zweithöchsten Berg außerhalb des Himalaya.

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Nur wenige Monate im Jahr kann er bestiegen werden, jetzt, zur Winterzeit, liegt er ganz ruhig vor uns. Erst Mitte November werden sich ein paar Wagemutige wieder hinauf wagen. Wir sind sehr beeindruckt und froh, dass sich das Warten gelohnt hat.

Und weil wir schon länger nichts mehr über Toiletten berichtet haben, hier mal wieder, aus der Kollektion “Toiletten aus aller Welt”, das Modell “Argentinischer Nationalpark”.

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Endlich können wir nun weiterfahren und finden durch Zufall hinter dem kleinen Ort Uspallata ein herrliches Tal mit unglaublich bunten Felsen. Direkt hier, am “cerro siete colores” (“Berg der sieben Farben”) verbringen wir die Nacht.

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Zum Glück gibt’s in dieser Nacht kein Erdbeben:

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Am nächsten Morgen gießt es in Strömen. Schade, denn die Fahrt von Uspallata nach Mendoza wäre wunderschön, wir aber sehen nur Regen, Regen, Regen. Aber so sauber war unser Auto schon lange nicht mehr. In Mendoza quartieren wir uns nach 45 Nächten in Folge ohne Campingplatz auf dem Camping Suizo ein. Hier wartet eine heiße Dusche auf uns, ein relativ gutes Internet, und Bridget und Brendan, die zwei netten Australier/Südafrikaner, die wir vor vielen Monaten am Cotopaxi kennengelernt hatten und immer mal wieder getroffen haben. Die Wiedersehensfreude ist groß. Aber auch andere Reisende aus Österreich und der Schweiz treffen wir hier. Es macht Spaß, wieder neue Leute kennenzulernen und sich über die verschiedenen Reiserouten auszutauschen.

Am nächsten Morgen hat sich der Regen zum Glück verabschiedet und wir können bei schönem Wetter Mendoza erkunden. Auf der Fahrt dorthin sehen wir einen, ja wirklich, einen richtigen WALMART!! Nicht das Lookalike “Lider” aus Chile, nein, einen richtigen WALMART!

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Wir werfen sofort unsere Stadtbesichtigungspläne über den Haufen und spazieren lieber durch den Walmart – Reihe für Reihe. Mann, ist das schön! Der Spaß hat ein Ende, als Thomas sich eine neue Wanderhose kaufen will. In der hintersten Ecke, gut versteckt zwischen zwei Regalen, probiert er die Hosen an. Eine Verkäuferin, die wohl noch nie ein nacktes Männerbein gesehen hat, stürzt kreidebleich aus dem Laden, und keine zwei Minuten später steht ein schwer bewaffneter Security-Mensch vor uns und erklärt uns mit grimmiger Miene und lauter Stimme, dass das absolut unmöglich sei, was wir da machen! Thomas schlüpft schnell in seine alte Hose, während ich versuche, mich an alles Spanische zu erinnern, was ich jemals im Kapitel “Entschuldigung – tut mir leid – wird nicht wieder vorkommen” gelernt habe. Als wir ihm dann auch noch erklären, dass es in Deutschland so üblich sei, Kleidung zwischen den Regalen anzuprobieren, wird er langsam wieder entspannter. Wir verlassen also den Walmart ohne neue Hose. Grade noch mal gut gegangen! Und wieder was gelernt: in Argentinien ist man wohl noch prüder als in den USA.

Mendoza ist nicht nur bekannt als Zentrum des argentinischen Weinanbaus, sondern auch ein richtig schöner Ort. Nach einem Erdbeben 1861 wurden beim Wiederaufbau breite Alleen (zur Schuttbeseitigung) und weitläufige Plätze (als Schutzräume) mit vielen Bäumen angelegt. Die Stadt erstrahlt in frischem Grün.

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Natürlich dreht sich hier alles um den wirklich guten Wein, den man an jeder Straßenecke für günstiges Geld kaufen kann. Selbst ein “personalisierter” Wein kostet hier nur umgerechnet 6 Euro:

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Bei einer einschlägigen Adresse in einer Privatwohnung tauschen wir unsere US Dollar gegen argentinische Pesos ein. Der Kurs dieser – übrigens ganz offiziellen – “Blue Dollar”-Tauschaktion ist ein wesentlich besserer, als wenn man bei einer Bank tauscht. Mit unseren Geldbündeln gut verstaut – der größte Schein entspricht hier gerade mal 5 Euro – machen wir uns auf den Weg, um die schöne Stadt zu besichtigen.

Einen guten Überblick über die Stadt hat man vom Rathaus mit seinen bunt bemalten Balkonen.

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Mit dem Aufzug kann man zum 7. Stock hinauffahren und von oben die Stadt in alle Richtungen bewundern, mit sehr guten Schautafeln “was ist wo”:

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Auch in Argentinien gibt es gute Fassadenmalerei. Hier dreht sich natürlich alles nicht nur um Wein, sondern um das Nationalgetränk, den Mate-Tee, dieses leicht bittere Kraut, das unzählige Male aufgegossen wird und aus einem strohhalmähnlichen Metallröhrchen, der Bombilla, getrunken wird.

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Höhepunkt unserer Stadtbesichtigung ist eine Führung durch die Schokoladenfabrik “Chocolezze”. Zusammen mit 50 jungen Mädchen erklärt man uns, wie man die verschiedenen Schokoladen herstellt. Spezialität hier sind jedoch die Alfajores, diese wahnsinnig guten Biskuitkekse, die à la Prinzenrolle mit einer Karamelcreme (oder dulce de leche) zusammengeklebt und mit Schokolade überzogen werden.

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Am Ende der Führung verlassen die lustig gackernden Mädchen die Fabrik, wir dürfen bleiben und dürfen, bzw. werden sogar angefeuert, so viel zu essen wie wir mögen und können. Wie im Schlaraffenland!

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Unsere Fahrt von Mendoza nach Süden führt immer an der Andenkette entlang. Leider ist das Wetter nicht besonders gut, und erst nach zwei Tagen können wir einen Blick auf die verschneiten Sechstausender werfen.

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Las Lenas ist eines der besten und nobelsten Schigebiete in Argentinien, und ist durch seine alljährlich stattfindenden Weltcuprennen über die Grenzen hinaus bekannt.

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Schon von Weitem glitzern die Pisten und Firnhänge verlockend:

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Leider ist die Saison am 5. Oktober zu Ende gegangen, und nicht mehr viel erinnert an die Schisaison.

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Ein paar ganz eifrige Argentinier kommen mit Reisebussen und nutzen die letzten Schneereste für eine lustige Rodelpartie:

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Wir stapfen durch den nassen Schnee und träumen von einem Schiurlaub in diesem netten und typischen Wintersportort.

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Las Lenas befindet sich übrigens ganz in der Nähe eines tragischen Schauplatzes in den hohen Anden: 1972 stürzte an der Flanke des Vulkans Tinguiririca ein uruguayisches Flugzeug mit einer kompletten Rugbymannschaft ab. Erst nach 70 Tagen und durch Essen ihrer toten Kameraden konnte zumindest ein Teil der Leute gerettet werden. Für ganz Makabre und Schaulustige werden sogar dreitägige Reittouren zur Absturzstelle organisiert!

Mein Traumhaus habe ich hier übrigens auch gefunden:

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Von Las Lenas aus fahren wir Richtung Süden, immer auf der Ruta 40, dieser berühmt-berüchtigten Straße, die Argentinien auf über 5.000 km von Nord nach Süd durchquert. Obwohl eine der Hauptrouten durch das Land, ähnelt sie streckenweise eher einem ausgetrockneten Bachbett mit jeder Menge Schlaglöcher und Wellblechpisten:

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Über Stock und Stein, über Geröllpisten und durch Flussbetten kämpfen wir uns über 120 mühsame Kilometer Richtung Süden.

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Landschaftlich ist die Fahrt jedoch ein Genuss. Am Rio Grande entlang finden wir immer wieder schöne Stellen zum Übernachten, mit Blick auf die umliegenden Vulkane.

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Es gibt keine schönere Kulisse, vor der man das viel gerühmte und wirklich umwerfend gute argentinische Steak genießen kann:

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Man fährt durch endlose Lavafelder, wie hier, wo sich der Rio Grande einen Weg durch die Lavamassen gebahnt hat:

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Menschen sehen wir kaum, nur ein paar Gauchos, die ihre Ziegen und Kühe durch die Gegend treiben. Hier sagen sich mal wieder Fuchs und Hase gute Nacht. Dieser Fuchs allerdings nicht mehr. Ein ganz frisches Unfallopfer, das seinen Weg zum Fluss nicht mehr geschafft hat:

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Wir genießen die Tage und unsere wunderschönen Stellplätze, wie diesen hier mit Blick auf den 4.114 m hohen Vulkan Tromen:

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Plötzlich wird die Ruta 40 traumhaft schön! Wir denken schon, wir haben uns verfahren! Vorbei der Schotter und die Schlaglöcher, wir fahren auf herrlichem Asphalt weiter Richtung Süden, immer den Vulkan Tromen im Blick:

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Für Geologen sicher ein Traum, aber auch wir genießen die vielen verschiedenen Gesteinsformationen.

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Schon bald überqueren wir bei Barrancas die Grenze zur Provinz Neuquén und befinden uns jetzt offiziell in der Region Patagonien!

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Wie Weihnachten und Ostern auf einmal ist dieser Platz in den Bergen, direkt an einem kleinen Fluss. Wir waschen uns in dem klaren Wasser von Kopf bis Fuß und legen gleich mal einen Großwaschtag ein.

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Bald erreichen wir ein Denkmal – die Mitte der Ruta 40, genau bei Kilometer 2623!

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Wir passieren noch zwei kleinere Orte – Chos Malal und Las Lajas - wo wir unsere Vorräte aufstocken, und machen uns auf zu unserer vorläufig letzten Etappe in Argentinien, zur chilenischen Grenze am Paso Pino Hachado. Die Landschaft wird immer schöner, bald sehen wir die ersten Araukarien.

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Diese bis zu zweitausend Jahre alten und bis zu 50 Meter hohen robusten Bäume mit ihren stachligen Ästen sind wohl als einzige geeignet, um auf Felsen zu wachsen und dem zum Teil unwirtlichen Wetter zu trotzen.

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Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es diese exotischen Bäume. Die von weitem samtig anmutenden Äste sind mit extrem harten Stacheln überzogen.

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Der Grenzübertritt nach Chile auf dem Paso Pino Hachado verläuft völlig unkompliziert und unglaublich schnell. Nach zehn Minuten sind wir wieder in Chile. Unser Kühlschrank wird inspiziert, und obwohl wir dem Beamten erklären, wie man durch Drehen der Eier feststellen kann, ob sie roh oder gekocht sind, vertraut er lieber auf seine altbewährte Hau-Drauf-Methode. Wir dürfen unsere gekochten, jetzt aber angeschlagenen Eier behalten, und müssen uns nur von unserem gerade gekauften Honig und unserem letzten Apfel trennen.

Hinter der Grenze geht es hinauf zum schneebedeckten Pass. Hier sehen wir zum ersten Mal dieses schreckliche, hässliche, für Patagonien bezeichnende Verkehrsschild: Sturm! Davon hatten wir in den letzten Tagen schon einen Vorgeschmack bekommen.

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Da es in Patagonien kein Gebirge gibt, das in Ost-West-Richtung verläuft, kann der kalte Wind aus der Antarktis ungehindert über’s Land fegen. Manchmal mit einer solchen Stärke, dass wir das Auto kaum verlassen können. Das kann ja heiter werden!

Unser erster Eindruck von Argentinien ist perfekt. Vor allem die Menschen hier sind unglaublich gastfreundlich und herzlich. Don’t cry for us, Argentina! Wir kommen bald wieder zurück. Aber jetzt freuen wir uns erst mal auf unsere nächste Etappe in Chile.

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Unsere Strecke vom Aconcagua zur chilenischen Grenze bei Las Lajas (1.453 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 80.400 km.

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Blog erstellt am 31.10.2015 in Lonquimay, Chile.

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