Auf den Cotopaxi freuen wir uns schon seit langem. Mit 5.897 m der zweithöchste Berg Ecuadors und der zweithöchste aktive Vulkan der Welt. Geduld muss man mitbringen – bis wir diesen einigermaßen freien Blick auf den Gipfel genießen können, müssen wir ganze fünf Tage warten:
Am 23. Mai verlassen wir endgültig das Amazonasgebiet und den dichten Regenwald, und fahren hinauf in die hohen Anden. Unterwegs machen wir einen kurzen Zwischenstopp in Banos, das durch seine warmen Quellen und das unerschöpfliche Angebot an Outdooraktivitäten ein wahrer Magnet für Backpacker aus aller Welt ist. Uns gefallen vor allem die hier typischen Süßwarengeschäfte. Die Spezialität ist die “melcocha”, eine Art Toffee, das so lange durch die Luft gewirbelt wird, bis es die gewünschte Konsistenz hat:
Da zieht es einem schon beim Zuschauen die Kronen aus den Zähnen! Das Wetter spielt leider mal wieder nicht mit, und wir können nicht einmal einen kurzen Blick auf den 5.016 m hohen aktiven Vulkan Tungurahua werfen.
Deshalb fahren wir gleich weiter zum Cotopaxi Nationalpark:
Es ist schon später Nachmittag und der Eintritt in den Park ist nicht mehr möglich. Man lässt uns aber kostenlos auf dem großen Parkplatz vor dem Eingangstor übernachten. Hier, auf 3.333 m, verbringen wir eine ruhige Nacht – fast ganz alleine. Geweckt werden wir dann am frühen Morgen von einem energischen “eins-zwei-eins-zwei-eins-zwei etc.” Zu unserer Überraschung macht sich hier eine Horde wildgewordener Radfahrer und Jogger mit Dehnübungen fit für die große Tour durch den Nationalpark.
Angesteckt von diesem sportlichen Ehrgeiz brechen wir auch gleich auf, um hoffentlich heute – das Wetter ist relativ gut – einen Blick auf den Cotopaxi zu erhaschen.
Als wir den Park betreten, gleich eine angenehme Überraschung: die 10 USD Eintritt, die man üblicherweise bezahlen muss, sind von der derzeitigen Regierung gestrichen worden und man kann – ohne etwas zu bezahlen – so lange im Nationalpark verweilen, wie man möchte. Dies gilt wohl für alle Nationalparks in Ecuador. Eine tolle Sache, denkt man an die zum Teil fälligen 25 USD pro Person, die man in USA oder Kanada bezahlen muss!
Ca. 13 Kilometer hinter dem Eingang liegt die Laguna de Limpiopungo, ein flacher Andensee auf 3.830 m. Von hier aus sehen wir den majestätischen Berg zum ersten Mal und wandern auf dem schön angelegten Weg in 30 Minuten um die Lagune.
Wir sind wieder beeindruckt von den vielen schönen Blumen, die hier auf knapp 4.000 m wachsen:
Ganz in der Nähe der Lagune befindet sich eine riesengroße Wiese, die als offizieller Campingplatz ausgewiesen ist. Es gibt sogar saubere Toiletten und Wasser und einen Unterstand zum Kochen. Dieser Platz auf 3.820 m wird für die nächsten fünf Tage unser Basislager. Ein toller Platz – kostenlos und traumhaft schön gelegen.
Leider ist das Wetter fast durchgehend schlecht, und wir nutzen jede Regenpause, um uns die Beine zu vertreten. Meistens besteht unser Tagesablauf aber damit, Stunde um Stunde im Auto zu sitzen und auf besseres Wetter zu hoffen. Und trotz dieses Chaos schaffen wir es bis zum Schluss ohne Lagerkoller.
ENTSCHLEUNIGEN nennt man das neudeutsch – ohne Handy, Internet, Fernseher einfach sitzen und warten… und frieren… denn auf dieser Höhe haben wir schon Probleme, den Gasofen anzubekommen. Heizung sollte man erst gar nicht ausprobieren, die geht möglicherweise hier oben kaputt.
Aber unsere Geduld wird belohnt: am vierten Tag klart das Wetter soweit auf, dass wir den “Gipfelsturm” in Angriff nehmen können. Gipfelsturm bedeutet hier erst mal eine Fahrt bis zum Parkplatz auf 4.600 m. Unserem Auto wollen wir das nicht zumuten, und so wandern wir unverdrossen auf der holprigen Schotterstraße, bis uns endlich jemand mitnimmt und wir nach etlichen Kurven auf schlechter Straße mit viel Wellblech am Parkplatz ankommen.
Hier oben ist es mit dem schönen Wetter erst mal vorbei. Das Aussteigen aus dem Auto ist gar nicht so einfach, die Türen werden einem mit Wucht aus der Hand gerissen. Und draußen peitscht uns der Sturm die ersten Graupelschauer um die Ohren.
Und los geht’s auf einem kerzengeraden steilen Schotterhang hinauf zum Refugio José Rivas, das – man staune, wofür Deutschland Geld hat – doch tatsächlich von der KfW mitfinanziert wurde!
Nach ca. 45 Minuten erreichen wir die Schutzhütte auf 4.864 m und freuen uns, dass uns die Höhe überhaupt nichts ausmacht.
Völlig durchnässt, aber hochmotiviert, machen wir uns auf, wollen wir doch heute auf jeden Fall die 5.000 m Marke knacken! “Muy peligroso – muy peligroso” murmelt ein hinter der Hütte positionierter Sicherheitsmann in seine Gesichtsmaske. Bei diesem Wetter dürfe man nicht weitergehen. Viel zu gefährlich! Ohne Führer ist hier Schluss. Leider entdecken wir weit und breit keinen Führer, dem wir uns anschließen könnten. Wir versuchen mit Engelszungen, den Sicherheitsmann zu überzeugen, dass wir nur noch ein paar Schritte brauchen und wir doch unbedingt die 5.000 m erreichen wollen. Nichts zu machen. Einen kleinen Hügel gesteht er uns zu, aber bei 4.905 m ist dann endgültig Schluss. Schade für uns, aber gut, dass man hier so konsequent ist. Denn man sieht doch einige “Wanderer” hier oben, die so gar nicht nach “Wanderer” aussehen. Später erfahren wir, dass es im Oktober zwei Todesfälle gegeben hat, deshalb die Vorsicht.
Den 12 Kilometer langen Rückweg, auf dem wir 1.200 Höhenmeter zurücklegen, machen wir dann zu Fuß. Die vorbei fahrenden Autos bieten uns immer wieder eine Mitfahrgelegenheit an, aber es macht uns Spaß, auf dem langen Weg immer mal wieder einen kleinen Blick auf den Berg zu genießen. Und als wir an unserem Platz ankommen, scheint doch tatsächlich noch kurz die Sonne und wir sehen einen wunderbaren Regenbogen:
Wir bleiben noch eine weitere Nacht. Irgendwann muss das Wetter doch besser werden!! Na ja, gut ist es am nächsten Tag immer noch nicht, aber gut genug, um eine weitere schöne Wanderung direkt von unserem Platz aus auf den Ruminahui, einen weiteren über 5.000 m hohen Vulkan, zu unternehmen.
Über wunderschöne Blumenwiesen geht es immer höher hinauf…
… bis uns kalte Graupelschauer mal wieder einen Strich durch die Rechnung machen und wir wieder hinunter zu unserem Basislager steigen. Mir reicht’s dann mit Kälte und Nieselregen, ich beende den Tag mal wieder mit “entschleunigen”. Thomas verfügt noch über unverbrauchte Energien und radelt bis weit hinauf in Richtung Cotopaxi. Es ist mit 4.300 m die höchste Radtour seines Lebens.
Zur Belohnung für unsere unendliche Geduld zeigt sich am letzten Abend zum ersten Mal der Gipfel des Cotopaxi. Wir sitzen im Auto und verfolgen das Spiel der Wolken mit offenem Mund – das Warten hat sich wirklich gelohnt!
In der Nacht wird das Wetter dann so richtig schlecht, und am nächsten Morgen regnet es in Strömen. Es schneit fast bis zu unserem Platz herunter, und fluchtartig verlassen wir unser jetzt sehr ungemütliches Lager.
Weiter geht’s von hier aus über Latacunga, wo wir unsere Vorräte aufstocken, zur Laguna de Quilotoa, einem atemberaubenden vulkanischen Kratersee.
Über einen 4.000 m hohen Pass geht es über ausgesprochen schöne Straßen und durch herrliche Landschaft. Die Straßen werden direkt durch die Berge “geschürft”, und hier kann man gut die Lavaschicht sehen, die hier das Land einmal bedeckt hat.
Nicht viele Autos sind unterwegs, ein sehr stressfreies Autofahren. Abbremsen muss man lediglich ab und zu für eine Kuh- oder Schafherde.
Und da soll noch mal einer sagen, nur die Deutschen sind pedantisch! Hier nimmt man es mit den Distanzen sehr genau…
Ca. 14 Kilometer nördlich der Laguna de Quilotoa (wahrscheinlich sind es 14,37 km) liegt das winzige Dorf Chugchilán, wo wir zwei Nächte im netten Hostal “Black Sheep Inn” verbringen. Unser Standplatz in der sehr steilen Einfahrt ist zwar nicht optimal, und trotz ausgefeilter Holzstapelei am Vorderrad rutschen wir nachts aus den Betten.
Hier sind wir nur noch auf 3.100 m, also schon etwas wärmer, und wir genießen die erste heiße Dusche seit langem und einen netten Aufenthaltsraum mit Holzofen. Hier sitzt sich’s schon um einiges gemütlicher als in unserem kalten Auto. Selbst die Toiletten sind hier sehr gemütlich – alles öko und mit Andenblick!!
Da wir für die Wanderung um die Laguna auf schönes Wetter warten, machen wir am ersten Tag eine kleinere Wanderung in der Nähe. Hierfür werden wir mit einem idiotensicheren laminierten Plan ausgestattet. Jeder Schritt ist beschrieben, fotografiert und mit Pfeilen versehen. “Wandern für Deppen” lästern wir…
… aber “Edmundo’s famous skywalk”, eine wirklich herrliche Wanderung durch Canyons und auf schwindelerregenden Bergrücken wäre ohne diesen Plan niemals zu finden. Muchas gracias, Edmundo, eine tolle Idee und eine tolle Wanderung!
Am nächsten Morgen dann der lang ersehnte blaue Himmel. Schnell, schnell, zur Lagune, hier weiß man nie, wie lange der Sonnenschein anhält.
Bereits die Fahrt zur Lagune ist bei diesem schönen Wetter ein Genuss. Auch diese Straße ist übrigens co-finanziert von der EU.
Die Straßen wieder herrlich, manchmal werden hier übrigens sogar die Berge betoniert, damit es keinen Erdrutsch gibt:
Und der Blick auf die Laguna de Quilotoa – einfach atemberaubend:
Lange können wir diesen tollen Blick nicht genießen, denn die ersten Wolken ziehen auf, und wir steigen schnell in unsere Bergstiefel, damit wir die ca. 5 Stunden Tour um die Lagune noch schaffen, bevor das Wetter umschlägt.
Der Weg führt meistens am Grat entlang und bietet immer wieder wunderschöne Blicke in die Tiefe. Oft weiß man gar nicht, ob die blauen Flecken Himmel oder See sind:
Immer wieder bleiben wir stehen, um die herrlichen Blicke in uns aufzusaugen.
Aber nach zwei Stunden ist leider mal wieder “Schluss mit lustig”. Pottendichter Nebel und die ersten Regentropfen zwingen uns zum Abbruch. Es wäre einfach zu gefährlich, ohne jede Sicht auf diesem oft sehr ausgesetzten Weg weiter zu gehen. Wir finden allerdings einen ganz abgelegenen Platz direkt unter dem Kraterrand (mit dem lustigen Namen “Shalalá”), wo wir die Nacht verbringen und hoffen, dass wir am nächsten Morgen die ganze Tour machen können.
Als wir am nächsten Morgen aufwachen, begrüßt uns zwar leider nicht die Sonne, aber dieses lustige Lama, das neugierig in unser Auto schaut:
Hier oben ist die Welt noch in Ordnung. Handys, PCs, und elektronisches Spielzeug sind hier Fremdwörter, und die Kinder spielen glücklich mit dem, was sie grade finden:
Auch Outdoor-Klamotten haben hier noch keinen Einzug gehalten, und trotz frostiger Temperaturen an die Null Grad trägt man hier tapfer die Tracht der Einheimischen, die mit ihren Stopselhüten ein bisschen an unsere Heimat erinnert:
Wir stehen um 06:00 h morgens auf und sind sehr enttäuscht, dass das Wetter schlecht ist. Zu schlecht für die Lagunen-Umrundung. Und wieder warten bis das Wetter besser wird wollen wir auch nicht. Also fahren wir ohne Frühstück und Morgentoilette direkt los. Wir wollen jetzt endlich mal wieder Sonne und Wärme und machen uns auf den Weg zum Meer. Die Straße ist einfach nur spektakulär. Über eine Strecke von 70 Kilometer, ohne Gegenanstiege, fahren wir von 4.000 m bis auf 0 m hinab. Die Straße ist in extrem gutem Zustand und fast ohne Verkehr. Ein Traum auch für einen Radfahrer. So sieht unser Höhenprofil an diesem Tag aus:
Und so sehen unsere Plastikflaschen nach dieser rasanten Talfahrt aus:
Unten angekommen, geht es über viele Kilometer bis zum Pazifik. Unterwegs kommen wir immer mal wieder durch Schlechtwettergebiete mit entsprechenden Straßenzuständen:
Aber irgendwann haben wir es dann geschafft und werden am Strand von Canoa mit heißen Temperaturen und einem schönen Sonnenuntergang belohnt:
Wir tauen langsam wieder auf und genießen drei schöne, warme und erholsame Tage in Canoa in der Ökolodge Mar y Paz. Von hier aus machen wir Radtouren und lange Strandspaziergänge:
Die Nächte im Auto sind mit 28°C Grad zwar heiß, aber nach den kalten Nächten mit 5 Schichten und Daunenschlafsack ein wahrer Genuss.
Über Manta mit seinem tollen Fischmarkt…
… fahren wir an der Küste weiter nach Süden und entdecken in Puerto Cayo, kurz vor Puerto Lopez, die wunderschöne Anlage “Jardín Suizo”, (www.jardin-suizo.com). Der supernette Schweizer Samuel hat sich hier ein richtiges Paradies erschaffen, mit über 200 Pflanzenarten. Wir dürfen mitten in diesem herrlichen Garten stehen und fühlen uns vom ersten Moment an sehr wohl. Von seinem eigenen Mirador hat man einen tollen Blick über die Bucht:
Anstatt der geplanten Nacht bleiben wir gleich vier Nächte hier und genießen ausgedehnte Strandspaziergänge und sehr nette und lustige Abende mit Samuel. Ein toller Ort zum Abhängen und Genießen!
Gar nicht weit entfernt von Samuel, gleich hinter Puerto Lopez, liegt der Nationalpark Machalilla mit seinem herrlichen Strand “Playa los Frailes”:
Nach Montanita muss man kommen, wenn man Surfer ist. Dieses hippe Dorf ist mit den besten Surfwellen des Landes gesegnet.
Die Surfszene bestimmt hier das Bild, ebenso viele Hostels, Discos, Bars und Rasterlocken.
Nett anzuschauen, aber bleiben wollen wir hier nicht. Wir finden einen schönen ruhigen Platz hoch über dem Meer, die Hostería Farallón Dillon kurz vor Salinas. Hier hat Alberto, ein ehemaliger Kapitän, ein Hotel erschaffen, das mit allem ausgestattet ist, was mit der Seefahrt in Verbindung zu bringen ist. Wir campen über dem Meer und genießen die letzten Tage am Pazifik, bevor wir morgen, am 10. Juni, wieder Richtung Andenhochland aufbrechen.
Mal schauen, wie schnell wir uns von 0 auf 5.000 m bzw. von 35°C auf 0°C gewöhnen…
Adiós, Ecuador’s Küste – es war wunderschön hier. Mit so einem schönen Sonnenuntergang wird uns der Abschied natürlich nicht leicht gemacht:
Unsere Strecke von Río Verde bei Banos nach Salinas (974 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 67.959 km.
Blog erstellt am 09.06.2015 in der Hostería Farallón Dillon kurz vor Salinas, Ecuador.
1 Kommentar:
Fantastisches Update, LG Christian
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