Montag, 1. September 2014

31. Etappe: Calgary (Alberta) zum Yellowstone National Park (16.–31.08.2014)


Südlich von Calgary lassen wir die Rocky Mountains erst mal rechts liegen und fahren durch endlos weites Weideland.

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Die Straße, die direkt nach Süden führt, trägt nicht umsonst den Namen “Cowboy Trail”. Genauso stellt man sich “Cowboyland” vor. Endlose Weite, Farmland, gelbes Gras, Kühe, Pferde, Reiter etc. – soweit das Auge reicht.

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Aber wenn man denkt, das wäre langweilig – weit gefehlt! Auch hier gibt es immer wieder kleine Seen, Flüsse, und sogar ab und zu mal einen Wasserfall:

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Trotzdem freuen wir uns, als wir nach 3 Tagen zum ersten Mal wieder in die Berge, d.h. die Rocky Mountains kommen, noch dazu zu einem ganz besonders schönen Fleckchen, dem Waterton Lakes National Park.

Der Waterton Lakes National Park auf der kanadischen Seite und der Glacier National Park auf der amerikanischen Seite bilden seit 1932 den weltweit ersten “International Peace Park”.

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Schon von weitem sieht man als Landmark das berühmte Prince of Wales Hotel. Bereits von außen bietet es einen unglaublich schönen Anblick. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, auf einen Kaffee oder auch einfach “mal so” hineinzugehen und den herrlichen Blick auf den Upper Waterton Lake zu genießen.

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Am liebsten würden wir uns gleich hier einquartieren, aber unser Reisebudget schreit dann doch eher nach einem Campingplatz, den wir nicht weit weg davon in den Bergen finden. Der Crandell Mountain Campground entpuppt sich als ein wunderschöner Platz, wo die Welt noch in Ordnung ist: zum Frühstück besucht uns eine ganze Herde Rehe an unserem Platz:

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Während der zwei Tage unseres Aufenthalts unternehmen wir ein paar schöne kleinere Wanderungen, wie zum Crandell Lake oder hinauf zum Summit Lake. Oder wie hier auf den Bear’s Hump. Gleich hinter dem Visitor Center geht es über steile Stufen hinauf. Anstrengend, aber von hier oben hat man einen tollen Blick auf die kleine beschauliche Waterton Townsite und den See bis in die USA:

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Nach unserer Wanderung gibt’s noch eine Dusche und einen Kaffee am Campingplatz am See. Hier kommen wir uns vor wie am Gardasee, vor allem wegen des starken thermischen Windes. Fehlen nur die Surfer…

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Auch von hier hat man wieder einen schönen Blick auf das Prince of Wales Hotel:

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Bevor wir wieder zurück in die Berge zu unserem Campingplatz fahren, machen wir noch einen kurzen Zwischenstopp am See. Plötzlich raschelt’s im Gebüsch. Erst denken wir, schon wieder Rehe, aber als wir uns umdrehen, kommt ein Schwarzbär direkt auf uns zu. Kaum zu glauben – am öffentlichen Badestrand!!

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Wir springen ganz schnell auf und suchen das Weite, aber der Bär interessiert sich überhaupt nicht für uns. Ganz gemächlich trottet er über den Parkplatz Richtung Hauptstraße. Gut erzogen ist er – er beachtet sogar das STOP-Schild:

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Uns gefällt’s im Waterton Lakes National Park so gut, dass wir am liebsten länger hier bleiben möchten, aber der Wetterbericht sagt nichts Gutes voraus, und so beeilen wir uns, damit wir zumindest noch einen schönen Tag im benachbarten Glacier National Park verbringen können.

Zunächst passieren wir zum allerletzten Mal die Grenze Kanada/USA.

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Hier bei der Einreise in Chief Mountain beantworten wir mal wieder die üblichen Fragen. Der Einreisebeamte hier nimmt es ganz genau. Zum ersten Mal müssen wir auch unsere 2 Äpfel und 2 Bananen rauskramen, und nur nach genauer Inspektion von Beschaffenheit und Herkunft dürfen wir sie behalten und weiterfahren.

Back to the USA!! Der erste Blick ist der Blick auf den Chief Mountain. Allein der Anblick macht schon wieder Lust auf Berge…

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Gleich hinter der Grenze beginnt Montana.

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Unser Reiseführer beschreibt Montana als einen Bundesstaat, in den man sich sofort verliebt und man gleich für immer hier bleiben möchte. Recht hat er! Jetzt, nach fast 2 Wochen in Montana, haben auch wir das Gefühl, dass der Himmel hier besonders blau ist, die Luft besonders klar, die Menschen besonders liebenswürdig und die Landschaft unbeschreiblich schön. Außerdem scheinen wir hier die einzigen ausländischen Touristen zu sein. Montana liegt wohl nicht auf der üblichen Touristenroute.

Aber erst mal geht’s zum Glacier National Park.

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Früher gab es hier 150 Gletscher, davon sind heute nur noch 25 übrig. Man geht davon aus, dass auch diese 25 in den nächsten Jahrzehnten verschwinden. Scheinbar weiß man nie ganz genau, wie viele Gletscher es gerade gibt und man nannte diesen Ort hier ganz pragmatisch “Many Glacier”:

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Die Going-to-the-Sun Road quert den Nationalpark von Nordost nach Südwest. Auf ihren 85 Kilometern folgt ein überwältigendes Bergpanorama auf das nächste. Die Straße ist zum Teil sehr eng und direkt in den Fels gehauen.

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Für größere Wohnmobile ist die Straße gesperrt. Man kann aber auch Ausflüge mit Shuttlebussen oder den lustigen roten Touristenbussen unternehmen.

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Höchster Punkt der Straße ist der Logan Pass mit 2.026 m. Obwohl es Montag ist, ist jeder, wirklich jeder, Parkplatz voll und wir können während der ganzen Fahrt nicht anhalten, um ein Foto zu machen. Außerdem macht die Going-to-the-Sun Road ihrem Namen keine Ehre – hier oben am Logan Pass schlägt das Wetter um und wir fahren den Rest der Strecke bei Wolken und Regen…

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Wir hoffen auf einen gnädigen Wettergott und quartieren uns 20 Kilometer vor dem Ende des Parks am Avalanche Creek Campground  ein. Wir versuchen hier, die Gewitterregen auszusitzen. Aber als es am nächsten Tag immer noch schüttet, fahren wir weiter nach Kalispell, einer nicht besonders attraktiven Stadt, die aber beste Infrastruktur bietet.

Als die Vorräte wieder aufgefüllt sind, alle E-Mails heruntergeladen und wir uns schon gleich wieder nach der Einsamkeit sehnen, fahren wir zum 30 km entfernten Ashley Lake. An einem kostenlosen Campground direkt am See mit 4 Plätzen sind wir die einzigen Gäste, und aus einer geplanten Übernachtung  werden sogleich vier.

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Wir campen mit Blick auf den See und essen ganz alleine auf der großen Wiese – wie Picknick “bei Königs”. Hier treffen wie so oft in den USA die Extreme wieder mal aufeinander. Auf der einen Seite des Sees die Ferienvillen der Millionäre und auf unserer Seite campen wir für lau:

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Leider holt uns auch hier das schlechte Wetter ein, und wir verbringen den nächsten Tag bei strömendem Regen mit Heizung im Auto. Den ganzen Tag! Kurz bevor der Lagerkoller ausbricht, können wir wenigstens abends noch einen kleinen Spaziergang am See machen. Die nächsten Tage werden auch nicht besser, so machen wir uns auf nach Süden und erreichen nach zwei Tagen den nächsten wunderschönen See, den Seeley Lake.

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Auch hier ist nur eine Nacht geplant, aber wir genießen wunderschöne Tage mit Radeln, Baden, Sonnen, und reisen erst nach 4 Nächten weiter.

Hier am Strand genießen wir die Tage bis zum Abend, wo um 20:00 h die Sonne untergeht.

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Die Tagestemperaturen erreichen sage und schreibe 33 Grad Celsius und es ist endlich mal wieder warm genug für eine Dusche aus unserem Solar-Duschsack:

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Anmerkung der Redaktion: nein, es ist kein Alien, das sich hier duscht, auch kein Exemplar der seltenen Gattung “no-hair-squirrel”. Es ist tatsächlich Thomas – beim Haareschneiden hat er wohl die Abstandshalter verwechselt, und als er es gemerkt hat, war’s schon passiert. Macht aber nix – inzwischen sprießen schon die ersten Stoppeln wieder…

Der Seeley Lake ist nicht nur zum Baden wunderschön, in 28 Kilometern kann man ihn auch “umradeln”, meistens direkt am See entlang…

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Der Abschied vom Seeley Lake fällt uns besonders schwer, aber wir wollen ja weiter zum Yellowstone National Park und vor dem langen Wochenende (am Montag, 1.9., ist Labor Day) noch einige Dinge in Missoula erledigen.

Auf der Fahrt nach Missoula sehen wir beim Vorbeifahren am Rande des Freeways ein Schild, über das wir beide herzlich lachen müssen:

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Testicle Festival!?! Was ist DAS denn bitte?? Sackhüpfen auf amerikanisch?? Da wir beide denken, wir haben uns verlesen, nehmen wir die nächste Ausfahrt, fahren zurück und spendieren ein paar Extra-Kilometer, um dieses Foto zu schießen. Unsere erste Frage im Visitor Center in Missoula ist dann auch nicht die übliche nach Wetter oder Campground, sondern nach diesem ominösen Festival. Es handelt sich hier um eine Veranstaltung mit Tieren, Bullen, und viel Essen. Klar – was auch sonst, im sonst so prüden Amerika…

Missoula ist eine richtig nette Stadt. Es gibt dort wegen der University of Montana viele junge Menschen und gemütliche Kneipen. Die Stadt mit ihren zum Teil schönen Gebäuden liegt eingebettet in den Bergen, was sie auch für jede Art von Outdoorfreaks zum einem begehrten Treffpunkt macht.

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Wir haben eine ganz Liste von Dingen zu erledigen. Vor allem wollen wir einen letzten Versuch unternehmen, eine Felge für einen zweiten Ersatzreifen zu finden. Unser Modell gibt es nicht in USA. Man empfiehlt uns eine Werkstatt, die sich auf die Reparatur von ausschließlich europäischen Autos spezialisiert hat. Die Fahrt zu “Eurotek” entpuppt sich als reine Schnitzeljagd. Weder das Navi noch irgendein Einwohner von Missoula kennt die Adresse, und wir halten immer wieder an, um per Telefon weitere Anweisungen zu bekommen. Auf diese Weise lernen wir jedenfalls die Stadt kennen, die sich dank Freitag-Nachmittagsverkehr schnell füllt.

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Die Fahrt lohnt sich – nicht wegen der Reifen, aber wegen des Besitzers. Vlad, ein pfiffiger junger Mann, schraubt alle möglichen Felgen an unserer Auto. Leider ohne Erfolg. Es gibt wohl tatsächlich hier keine Felge für uns. Aber mit Vlad verstehen wir uns auf Anhieb sehr gut. Er ist so begeistert von unserem Auto (das er noch nie gesehen hat), dass wir gleich ein paar “Werbeaufnahmen” für seine Firma machen – man beachte das Nummernschild:

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Bis wir alles erledigt haben, was auf unserer Liste steht, ist es bereits früher Abend und wir machen uns noch auf den Weg nach Süden. Nach einer Nacht bei Chief “Looking Glass” erreichen wir am Samstag den Lake Como, einen weiteren malerischen Bergsee. Mindestens genauso schön, wie der italienische Lago di Como, allerdings völlig einsam und unbewohnt. Straßen gibt es hier keine – außer Wandern und Mountainbiken gibt’s hier nix – nur Natur pur. Auch ein paar Fliegenfischer hat es hierher verschlagen, ohne die man sich Montana nicht vorstellen kann.

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Selbst der Sheriff lässt sein Auto in der Garage und steigt auf’s Pferd:

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Bei unserer Weiterfahrt Richtung Wyoming (Yellowstone National Park) passieren wir sogar noch die Grenze nach Idaho.

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Hier oben am Chief Joseph Pass auf 2.200 m, inmitten eines Schigebietes, hat es vor zwei Tagen geschneit, erzählt uns die Dame im Visitorcenter. Es wird deshalb auch am Montag, 1.9. (Labor Day), für die Saison geschlossen. Dann kommt der Winter und die Touristen bleiben aus.

Unsere Reise geht aber weiter Richtung Osten, wir bleiben also noch etwas in Montana. Während unserer letzten Etappe können wir Montana nochmal so genießen, wie man es sich vorstellt und wie wir es immer in Erinnerung behalten werden – einfach nur wunderschön…

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Eine letzte Nacht verbringen wir noch in Montana, bevor wir am 1.9. am Yellowstone National Park eintreffen wollen. Hierfür finden wir einen besonders schönen Platz in den Bergen hinter dem kleinen Ort Sheridan. Wir sind hier ganz alleine und entdecken sogar noch eine kleine Abendwanderung auf die Berge hinter “unserem Grundstück”. Als die Nacht hereinbricht, denken wir an die Dame vom Visitorcenter. “Der Winter kommt”. Auch hier sind wir über 2.000 m und die Nacht wird schon sehr kalt…

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Übrigens gibt es heute etwas zu feiern: 1 JAHR ON THE ROAD!

Genau heute vor einem Jahr, am 31.08.2013, sind wir in unser Abenteuer gestartet. Wir können es gar nicht fassen, wie schnell die Zeit verging. Wir genießen noch immer jeden einzelnen Tag unserer Reise.

1 Jahr Reise, das bedeutet:

-  365 wunderschöne Tage
-  365 Abenteuer
-  365 Tage Wohnen und Schlafen im Auto (bis auf die Unterbrechung in Deutschland im Mai)
-  365 Tage ohne Ehekrise
-  365 Tage ohne Lagerkoller
-  365 Tage ohne Krankheit
-  365 Tage ohne Autopanne
-  365 Tage ohne Zigaretten für Thomas
-  365 Tage (fast) ohne Süßigkeiten für Claudia
-  244 verschiedene tolle Campingplätze
-  mindestens 150 gelesene Bücher
-  mindestens 1.000 erschlagene Mücken
-  mindestens 10.000 Fotos
-  und unzählige wertvolle, interessante, und liebenswerte Menschen aus allen Ländern der Welt

etc. etc.

Mit zurückgelegten 44.000 Kilometern sind wir jetzt einmal um die Welt gefahren!

 

Unsere Strecke von Calgary bis kurz vor Yellowstone (1.366 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 43.958 km.

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Und hier unsere Strecke von 44.000 Kilometern (einmal um die Welt), die wir in genau einem Jahr zurück gelegt haben:

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Blog erstellt am 31.08.2014 in Sheridan, Montana (USA).

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Claudia und Thomas,
herzliche Gratulation zu Eurem Jubiläum. Es war auch für mich sehr überraschend, dass Ihr schon wieder ein Jahr unterwegs seid. Wahnsinn wie die Zeit vergeht. Bei uns hier in Bayern wird's jetzt auch herbstlich und ich freue mich schon bald in wärmere Gefilde verschwinden zu können. Ihr seid jetzt übrigens wieder genau auf der gleichen Strecke wie wir damals waren. Vom Glacier Richtung Yellowstone.
Es grüßt Euch herzlich aus München
Dieter