Bevor wir unsere Reise von Fairbanks aus fortsetzen, kommt erst mal der große Frühjahrsputz. Man kann das Auto gar nicht oft genug ausräumen und putzen – eine never ending story… Zum Glück hat es gestern aufgehört zu regnen, trotzdem sind durch die ergiebigen Regenfälle der letzten Tage einige Straßen und vor allem Radwege am Chena River unpassierbar. Der Fluss hat den höchsten Wasserstand seit 10 Jahren!
Unser nächstes Ziel ist der Denali Nationalpark mit dem höchsten Berg Nordamerikas, dem Mount McKinley (6.194 Meter), oder wie er in der Sprache der Athabaska-Indianer heißt, dem Denali. Der Denali Nationalpark ist flächenmäßig der größte Nationalpark der USA und wurde nicht wegen des Bergriesen gegründet, sondern um die reichhaltige Tierwelt in dieser alpinen Taiga und Tundra zu schützen.
Wir kommen am Sonntag an und sind froh, dass wir bereits von Fairbanks aus online einen Campingplatz reserviert haben. Denn am Freitag ist der 4. Juli (Nationalfeiertag) und es sind gerade Ferien. Damit ist die ganze Woche schon komplett ausgebucht.
In den Denali Nationalpark darf man nur die ersten 15 Meilen mit dem Privatauto hineinfahren. Um den kompletten Park zu besichtigen, muss man eine Bustour buchen. Man wird in grünen Shuttlebussen (Schulbussen) bis zu 12 Stunden auf staubigen Holperpisten bis zum hintersten Ende des Parks gefahren. Die letzte Etappe ist heute gesperrt, da es Überflutungen gegeben hat und sogar 100 Menschen evakuiert werden mussten. Da die Fahrt noch dazu nicht ganz billig ist, begnügen wir uns mit dem Teil, den wir mit unseren eigenen Auto befahren dürfen.
Die Straße führt durch verschiedene Vegetationszonen (Taiga und Tundra) bis zum Savage River, von wo aus wir eine kleine und schöne Wanderung immer am Fluss entlang unternehmen, den Savage River Loop Trail.
Meistens fährt man durch völlig einsame Landschaften, manchmal bietet sich einem aber auch das folgende Bild:
Eine solche Ansammlung von Touristen – mit Fernglas und Fotoapparat bewaffnet – kann nur eins bedeuten: BÄREN!!
Und wir haben Glück: in nicht allzu weiter Entfernung sehen wir eine Grizzly-Mutter mit ihren zwei Jungen. Es macht viel Spaß, den beiden Kleinen beim Herumtollen zuzuschauen…
Eigentlich wollen wir länger im Denali Nationalpark bleiben, aber die Campingplätze sind hoffnungslos ausgebucht. Zudem ist das Wetter bedeckt und regnerisch und wir entschließen uns zur Weiterfahrt. Aber eine Wanderung muss doch noch sein und wir besteigen den Mount Healy Overlook auf dem gleichnamigen Trail. Leider haben wir noch immer keinen Blick auf den Denali erhaschen können. Wir fahren also 180 Kilometer weiter nach Süden zum “Denali Viewpoint South”. Die Berge sind auch hier komplett in den Wolken, aber so sollte es optimaler Weise von hier aus aussehen:
Am Aussichtspunkt kann man für 10 US$ übernachten, und wir entschließen uns spontan, hier zu bleiben. Und es lohnt sich - am späteren Abend lockern die Wolken plötzlich auf und wir können den imposanten Mount McKinley zumindest teilweise sehen:
Der Mount McKinley ist im Sommer an zwei von drei Tagen nicht zu sehen, und somit hatten wir großes Glück. Jetzt können wir unsere Fahrt nach Anchorage beruhigt fortsetzen. Müssen wir sogar, denn wir haben einen Termin zum Ölwechsel vereinbart.
Nachdem wir schon vieles über Autowerkstätten in USA gehört haben, die einen Termin vereinbaren, dann aber das Auto aus haftungstechnischen Gründen nicht anfassen oder die Teile nicht haben, sowie über das Preisniveau in Alaska gehört hatten, fahren wir mit gemischten Gefühlen zum vereinbarten Termin bei VW Kendall:
Doch Service und Preis übertreffen unsere Erwartungen sehr positiv: wir werden sehr freundlich, professionell und pünktlich bedient. Und kostet allein der Ölwechsel mit kleinem Service in Deutschland schon 370 Euro, zahlen wir hier für den kompletten Service, Ölwechsel, Autoreinigung und eine extra Flasche Öl sowie Bremsflüssigkeit nur umgerechnet 75 Euro. Ein herzliches “thank you” an Jim, den Werkstattleiter, für diesen super Service! Unglaublich, aber eine weitere tolle Erfahrung auf unserer Reise.
Hier übrigens eine Anmerkung für unsere Follower vom Cali-Board: seit dem letzten Service in Deutschland haben wir ohne Probleme 37.000 Kilometer zurück gelegt. Wir sind mit unserem Auto total zufrieden. Danke auch für eure vielen netten Kommentare. Und auch danke an VW für die Tipps und Ratschläge für die weitere Reise nach Südamerika!
Hier in Anchorage sehen wir auch unser Traumauto. Wenn wir es schaffen, uns von einem Großteil unserer Dinge zu trennen (und natürlich auch von ein paar angefutterten Kilos) wollen wir die Reise mit diesem süßen Mini-Bulli fortsetzen:
Inzwischen scheint auch wieder die Sonne und wir können eine schöne Radtour, immer am Meer entlang und mit Blick auf Anchorage, unternehmen:
Anchorage ist eine sehr nette und bunte Stadt. Man findet hier ein Gemisch aus Blockhäusern mit grasbewachsenen Dächern (Visitor Center) und modernen Hotels…
In Eagle River, einem kleinen Ort nördlich von Anchorage, finden wir auch einen schönen State Park zum Übernachten. Und von hier aus haben wir sogar nochmal einen schönen Blick auf den Mount McKinley. Es sind übrigens ca. 150 km Luftlinie bis zum Berg:
Anchorage bietet nicht nur schöne Radwege, sondern auch einige nette Bergtouren. Wir entschließen uns für den Table Mountain, den meist bestiegenen Berg Alaska’s. Von hier oben hat man einen 360 Grad Rundumblick über die Stadt, die Berge und den Cook Inlet.
Am nächsten Tag ist der 4. Juli – der amerikanische Unabhängigkeitstag. So was muss man natürlich auch mal miterlebt haben und wir mischen uns unter die vielen vielen Menschen, die ausgelassen diesen Feiertag bei herrlichstem Wetter feiern. Alles und jeder ist geschmückt in den amerikanischen Nationalfarben rot-weiß-blau.
Eine bunte Parade zieht durch die Innenstadt, alte Autos, Musikkapellen, Tanzgruppen, Kriegsveteranen…
… natürlich kein Vergleich zu unseren bayrischen Trachtenumzügen oder zum Einzug der Festwirte beim Oktoberfest. Uns reicht’s dann auch schnell wieder und wir machen uns auf den Weg nach Süden, zur Kenai-Halbinsel, unserem nächsten Ziel.
Die Kenai-Halbinsel erreicht man über den Seward Highway, immer am Turnagain Arm entlang und immer mit einem spektakulären Blick auf die Gletscher im Hintergrund:
Ziel unserer Etappe ist Homer am südlichen Ende der Kenai-Halbinsel. Da – immer noch – der 4. Juli ist, ist weit und breit alles komplett ausgebucht. In dem kleinen Fischerort Ninilchik haben wir Glück und ergattern den letzten Campingplatz auf einem kleinen Gelände direkt über dem Meer. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick hinüber zu den verschneiten Vulkanen der Aleuten Range.
Aber nicht nur uns gefällt’s hier – auch eine große Population von Bald Eagle (Seeadlern) hat sich hier niedergelassen. Klar, bei so vielen Fischen, die sich hier tummeln…
Bekannt ist Ninilchik aber für seine russisch-orthodoxe Kirche. Das Dorf geht auf eine Ansiedlung von Angestellten der russischen Pelzhandelsgesellschaft zurück. Noch heute hört man hier immer wieder russische Laute und Namen.
Uns hat’s das kleine verlotterte Dorf um den winzigen Hafen voller bunter Fischerboote angetan:
Wir bleiben noch eine weitere Nacht hier, vor allem, da wir erfahren, dass am Samstag und Sonntag das jährliche Rodeo stattfindet. Vor allem Thomas ist völlig aus dem Häuschen, da er noch nie ein Rodeo gesehen hat und er auf keinen Fall diesen Ort verlassen wird, ohne sich dieses Spektakel reinzuziehen.
Wir sind fast sicher, dass wir die einzigen Touristen hier sind, aber schon auf dem Parkplatz entdecken wir das Bimobil von Waldtraud und Gisbert, zwei richtig netten Gummersbachern, die wir letzte Woche im Denali Park kennengelernt hatten. Wir freuen uns sehr, als wir ihre Gesichter in der Menschenmenge entdecken und schauen uns das Rodeo zusammen an.
Alles beginnt ganz feierlich: mit der Nationalhymne und einem Gebet.
Dass man hier beten muss, dass nichts passiert, wird uns dann gleich klar: einige todesmutige Reiter (man kann es auch “total durchgeknallt” nennen) versuchen, sich möglichst lange auf einem völlig wilden Pferd zu halten.
Das Ganze natürlich ohne Helm, man kann gar nicht mit ansehen, wie die wilden Tiere ausschlagen, immer haarscharf an den heruntergefallenen Reitern vorbei.
Aber richtig schlimm wird’s dann, als die wilden Bullen an die Reihe kommen. Nichts für schwache Nerven… Einer der Stiere ist schon in seiner Box so aufgebracht, dass er beinahe über das Absperrgitter springt…
Zur Nervenberuhigung und zum Durchschnaufen gibt’s dazwischen auch immer wieder harmlosere Programmpunkte, wie das Einfangen eines kleinen Kalbes mit dem Lasso.
Nach drei Stunden ist das Spektakel vorbei und trotz aller Anspannung hat’s uns richtig gut gefallen. So was muss man unbedingt einmal miterleben!
Auf dem Rückweg radeln wir noch an einer Fisch-Processing Station vorbei. Die Kenai-Halbinsel ist berühmt für ihre immensen Heilbutt-Schwärme. Zahlreiche Charterer bringen Angler zur täglichen Jagd hinaus in die Bucht. Bei ihrer Rückkehr wird zuerst die fette Beute begutachtet und fotografiert, danach werden die Fische professionell zerlegt und filetiert:
Uns läuft schon beim Zuschauen das Wasser im Munde zusammen, aber leider kann man keinen dieser Fische kaufen. Irgendwie verständlich – die Touristen buchen diese Ausflüge für teures Geld und erleiden zum Teil schreckliche Stunden bei starkem Seegang. Seekrankheit inklusive. Da gibt man natürlich kein Stück von seiner Beute her.
Am nächsten Tag fahren wir nach Homer an der Südspitze der Kenai-Halbinsel. Es ist Sonntag, und der Großteil der Wochenendgäste ist schon abgereist. Leider schlägt aber auch pünktlich zum Wochenbeginn das Wetter um und somit können wir unsere geplante Wanderung (mit dem Wassertaxi über die Kachemak-Bay zu einer Gletscherwanderung) nicht machen. So begnügen wir uns mit einem kleinen Spaziergang auf dem Homer Spit. Der Spit ist eine natürliche Landzunge, die ca. 7 Kilometer in die Bay hinausragt.
Hier werden die dicksten Fische an Land gezogen, darunter mannsgroße und bis zu 200 Pfund schwere Heilbutt-Exemplare! Homer hat sich alaskaweit allerdings vor allem als Künstlerkolonie einen Namen gemacht. Wir sehen vor allem viele kleine Läden und Kneipen und noch viel mehr Camper und Zelte entlang der Küste.
Ohne frisch gefangenen Fisch darf man Homer natürlich nicht verlassen, und wir erstehen einen gerade erst gefangenen Lachs. Gleich am selben Abend wird er gebraten und schmeckt genauso gut wie er aussieht – ein Traum in rot:
Für dieses Festmahl suchen wir uns auch einen ganz besonderen Platz aus: den westlichsten Punkt Nordamerikas, den man mit dem Auto erreichen kann, Anchor Point:
Hier kochen, schlemmen und übernachten wir, mal wieder mit Blick auf die Vulkankette der Aleuten:
Am nächsten Tag vertreibt uns das schlechte Wetter endgültig von der Kenai-Halbinsel und wir machen uns auf den Rückweg Richtung Anchorage. Völlig überraschend sehen wir auf einem Parkplatz am Straßenrand Gabi und Edu! Nicht zu fassen! Die beiden haben endlich ihre Ersatzteile aus Deutschland bekommen und nun so richtig Gas gegeben. Wie immer ist die Freude sehr groß. Inzwischen haben wir aufgegeben zu zählen, wie oft wir die beiden seit unserem ersten Treffen in Südflorida im letzten Dezember zufällig getroffen haben! Und hoffentlich noch oft treffen werden…
Auf halber Strecke zwischen Homer und Anchorage liegt Seward. Zwischen Homer und Seward liegen die Kenai Mountains mit dem gewaltigen Harding Icefield, mit 35 Meilen Länge, 20 Meilen Breite und über 30 Gletschern eines der größten unerforschten Gletschergebiete der USA. Aber der Gletscher und die herrliche Landschaft interessieren uns erst mal gar nicht: es ist Dienstag, der 8. Juli, 12 Uhr mittags und es beginnt das Fußball-WM-Halbfinale Deutschland gegen Brasilien. Wir stürmen in die nächste Sportsbar und dürfen live auf Großbildschirm das Jahrhundertspiel mit dem unglaublichen Ergebnis 7:1 miterleben:
Wir sind die einzigen (!!!) Zuschauer. Zwar keine große Stimmung, aber zumindest kann keiner die falsche Mannschaft anfeuern. Zur Halbzeit verirrt sich eine ältere Dame aus Cuxhaven zu uns, die ihre Reisegruppe verloren hat. So jubeln wir zu dritt und sind völlig aus dem Häuschen über das nicht zu fassende Ergebnis.
Voller Adrenalin verlassen wir die Kneipe bei inzwischen herrlichem Wetter und machen uns auf den Weg zum Exit Glacier, einem der am besten zugänglichen Gletscher Alaskas. Obwohl es inzwischen schon späterer Nachmittag ist, steigen wir am Gletscherrand entlang hinauf zum Harding Icefield.
Es ist bereits 7 Uhr abends, als wir oben ankommen. Aber kein Problem, wir haben ja noch knappe 5 Stunden, bis es dunkel wird.
Die Abendstimmung ist unbeschreiblich schön. Wir sind um diese Zeit die einzigen und letzten Wanderer. Das haben allerdings auch die Moskitos bemerkt. Scheinbar haben sich alle Moskitos Alaskas auch das Fußballspiel angeschaut und sich erst abends auf dem Gletscher versammelt! Vor lauter WM-Fieber haben wir natürlich kein Spray, Hut etc. dabei. Wild fuchtelnd machen wir uns an den Abstieg.
Unten angekommen suchen wir noch schnell ein Quartier für die Nacht und stellen uns auf einen Wanderparkplatz direkt mit Blick auf den Gletscher. Eine schönere Kulisse und einen spektakuläreren Blick aus dem Schlafzimmerfenster kann man sich kaum vorstellen:
Leider regnet es am nächsten Tag schon wieder und wir machen uns auf den Weg nach Anchorage. Hier wollen wir noch ein paar Dinge erledigen und vor allem: am Sonntag das WM-Endspiel im Fernsehen sehen. Eine entsprechende Sportsbar, die Peanut Farm, haben wir schon ausgekundschaftet.
Die Tage verbringen wir mit Radfahren, wobei unser Favorit die Umrundung des International Airport ist. Der einzige Flughafen, den wir kennen, den man komplett mit dem Fahrrad umrunden und auch erkunden kann. Allerdings muss man manchmal tatsächlich den Kopf einziehen, wenn die großen Jumbos direkt über einem im 5-Minutentakt zur Landung ansetzen:
Der Flughafen von Anchorage ist der sechstgrößte Flughafen der Welt bzgl. Umschlag von Frachtgütern.
Gleich nebenan befindet sich der weltgrößte Flughafen für Seeflugzeuge. Hier sind fast 1.000 Kleinflugzeuge beheimatet, die die vielen Städte in Alaska anfliegen, die nicht per Straße zu erreichen sind. Wie z.B. Juneau, die Hauptstadt!!
Es ist fast unmöglich, Thomas von hier wieder wegzubekommen.
Auf diesem 40 Kilometer Rundkurs um und über den Flughafen und die Runways (ja, auch hier kann man radeln!!) sieht man nicht nur Technik, sondern auch Wildlife, mitten im Großstadtverkehr. Immer wieder muss man bremsen, um Elche über die Straße zu lassen.
Wir sind begeistert, diese Tiere aus nächster Nähe zu sehen. Auch wenn in Alaska mehr Menschen durch Elche verletzt werden als durch Bären.
Die Einheimischen sehen das alles viel pragmatischer:
Unsere Strecke von Fairbanks über die Kenai Halbinsel nach Anchorage (1.921 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 37.512 km.
Blog erstellt am 12.07.2014 in Anchorage, Alaska.
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