Donnerstag, 28. Januar 2016

74: Argentinien: Seengebiet von Esquel bis Nationalpark Lanín (12.-26.01.2016)


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Der Nationalpark Los Alerces verdankt seinen Namen den bis zu 70 Meter hoch werdenden, uralten Bäumen, die auch patagonische Zypresse genannt werden. Obwohl der Park riesengroß ist, schaffen wir es, keine einzige Alerce zu sehen. Dafür müsste man mit dem Boot eine teure Tour zum anderen Ende des Parks unternehmen. Aber wir als erklärte Botanik-Laien sind nicht wegen der Bäume hier, sondern wegen der herrlichen Seen, Berge und Wanderungen. Und davon gibt es jede Menge, obwohl wegen eines großen Feuers im März 2015 noch einige der Wanderwege gesperrt sind.

Herzstück des Parks ist der Lago Futalaufquén, an dem man die meiste Zeit entlang fährt.

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Die Fahrt ist landschaftlich einmalig. Die Straße auch. Nämlich einmalig schlecht. Wieder mal Schotterpiste mit starkem Wellblech.

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Man kann sich kaum auf die herrliche Landschaft konzentrieren, und fährt man durch eigentlich grüne Wälder, sieht man vor lauter Staub nur grau. So – jetzt genug gemeckert, trotz allem ist der Park einfach wunderschön.

Es gibt jede Menge Campingplätze direkt am See, viele davon sogar kostenlos (nachdem man die einmalige Parkeintrittsgebühr von ca. 7 Euro pro Person bezahlt hat). Einer der besonders schönen Campingplätze ist der Playa El Francés:

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Auf Grund der Ferien – jetzt ist absolute Hauptsaison und alle, wirklich alle Argentinier sind auf den Urlaubsbeinen – sind die Plätze allerdings ziemlich voll, und wir finden glücklicherweise einen netten Platz direkt an einem Fluss, an dem wir uns für vier Tage einquartieren. Von hier aus unternehmen wir Wanderungen, wie zum Beispiel zur Laguna Escondida. Der Wanderweg hinauf zur “versteckten Lagune” ist sehr steil und staubig, aber landschaftlich herrlich. Man läuft zum Teil durch dichten Bambuswald und wird oben mit der kleinen, aber feinen Lagune belohnt, in der man sich sogar abfrischen kann. Mann – wohlgemerkt. Für Frau ist es doch etwas zu kalt. Sie genießt lieber den tollen Blick vom Mirador auf den Lago Menéndez.

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Nachdem wir schon mehrere Wochen keinen Gletscher mehr gesehen haben, freuen wir uns über den Anblick des gegenüber liegenden Cerro Torrecillas (2.253 m):

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Da wir direkt an der Quebrada del León campen, müssen wir natürlich auch zum gleichnamigen Wasserfall hinaufklettern.

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Auch wenn wir uns jetzt wieder auf die Aufklärung eines fach- und sachkundigen Lesers verlassen müssen, wollen wir wenigstens ein Foto der Bäume veröffentlichen, die uns so gut gefallen:

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Wir genießen die vier Tage im Park und lassen uns das gute argentinische Steak am Lagerfeuer schmecken. Wobei ein richtiger Argentinier über unsere jämmerlichen Fleischstücke nur lachen kann. Hier wird richtig gegrillt. Asado heißt das Zauberwort. Mit Scheiben gibt man sich hier nicht ab, hier muss es mindestens ein ganzes Schaf sein:

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Eigentlich wollen wir den Park komplett von Süd nach Nord durchqueren, aber der schlechte Schotter macht uns und dem Bulli das Leben richtig schwer. So verlassen wir den Park lieber wieder durch den Südeingang bei Futalaufquén und kommen somit nochmal durch den netten Ort Esquel. Von dort geht’s aber jetzt Richtung Norden, immer auf der Ruta 40.

Schon bald werden wir magnetisch vom nächsten See angezogen, dem Lago Epuyén. Er lag eigentlich gar nicht auf unserer geplanten Route, umso mehr sind wir begeistert, dass man hier sogar eine 12 Kilometer lange Wanderung am See unternehmen kann.

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Die Wanderung ist ausgesprochen abwechslungsreich. Mal geht es über kleinere Bergrücken, mal direkt am See entlang, wie hier sogar mit Kettensicherung.

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Immer wieder muss man Flüsse überqueren.

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Und am Ende wartet die Bahía las Percas, eine einsame, herrliche Bucht mit glasklarem Wasser. Auf der ganzen Wanderung sind wir nur zwei Wanderern begegnet. Und einem Pferd. Und das in der Hauptsaison.

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Am nächsten Tag erreichen wir El Bolsón, auf das wir uns so sehr gefreut hatten. El Bolsón ist die Hippie-Hochburg Argentiniens, aber so was von überlaufen! Am Visitor Center stehen die Horden von Backpackern bis weit auf die Straße hinaus. Wir stellen uns brav an, um Informationen zum Nationalpark Lago Puelo zu bekommen. Als wir erfahren, dass der Eintritt zu dem Nationalpark diese Woche frei ist – ja, sogar die Parkranger haben Urlaub – beschließen wir, lieber nicht hinzufahren. Denn dort muss der Teufel los sein. Als wir den staubigen Ort verlassen haben, stellen wir fest, dass wir nicht ein einziges Foto gemacht haben.

50 Kilometer südlich von Bariloche entdecken wir einen Traumplatz direkt am Lago Guillelmo. Hier bleiben wir gleich vier Nächte. Es ist herrlich, am See entlang zu wandern.

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Und immer mal wieder in die erfrischenden Fluten zu springen.

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Ohne Hut geht übrigens gar nichts. Die Sonne brennt dermaßen stark herab, dass man sich kaum in der Sonne aufhalten kann. Nicht wegen der Temperaturen – die sehr erträglich sind. Aber die Sonneneinstrahlung ist extrem.

Hier am Lago Guillelmo ist es wirklich wie im Paradies. Nur ganz wenige Menschen verlaufen sich hierher. Vielleicht liegt es am Schild “Achtung: hohes Aufkommen von Nagetieren” oder an der schlechten Zufahrt. Wir sind fast alleine. FAST. Denn nicht die Nagetiere sind es, die uns das Leben schwer machen, sondern ganze Hundertschaften von Tábanos, ganz fiese Pferdebremsen, die sich in dieser Gegend um diese Jahreszeit über einen hermachen. Sie beißen sich am ganzen Körper fest, am liebsten aber im Gesicht, möglichst hinter der Sonnenbrille. Ein Horror. Aber: irgendwas ist bekanntlich immer.

Vom Lago Guillelmo fahren wir nach San Carlos de Bariloche, der größten Stadt am Rande der patagonischen Anden. Die Stadt mitsamt Umgebung nennt sich die “Schweiz Argentiniens”, was man am besten am Centro Civico erkennen kann:

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Sogar der Bernhardiner mit Fässchen um den Hals darf hier nicht fehlen.

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Wir quälen uns durch die Besucherströme, sind aber froh, dass wir endlich einige Dinge erledigen können, wie zum Beispiel unsere beiden Kameras endlich reparieren zu lassen.

Es gibt schöne Shoppingcenter, und nach den vielen Wochen in der Natur genießen wir es, durch die sehr gepflegten Malls mit ihren vielen Outdoorläden zu schlendern.

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Wer mich kennt, weiß, dass ich mich schon lange auf diesen Ort freue. Denn unser Reiseführer schreibt, Bariloche sei die Hauptstadt der Schokolade, in der Stadt rieche es förmlich nach Schokolade. Und das ist nicht übertrieben. Jeder zweite Laden ist ein Schokoladenladen, und in den meisten Läden darf man sogar etwas von der leckeren Schokolade naschen oder bei deren Herstellung zuschauen.

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Thomas, den Schokoladenläden ungefähr genauso interessieren wie mich Elektronikläden, erträgt meinen Schokomarathon mit einer Eselsgeduld. Und ist froh, dass Bariloche auch noch etwas anderes zu bieten hat, nämlich zum Beispiel eine sehr schöne neogotische Kathedrale, die 1946 erbaut wurde, deren Inneres uns wegen der eigenartigen Öffnungszeiten aber leider verborgen bleibt. Und hier mal wieder ein Suchbild: wo ist der kleine Thomas?

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Bariloche ist an einen Hang gebaut, und zum Teil erinnern die Straßen ein bisschen an San Francisco:

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Was kein Reiseführer empfiehlt, aber auf jeden Fall einen Abstecher lohnt, ist das Hostel “Penthouse 1004”. Es liegt im 10. Stock eines Appartmentgebäudes direkt in der Nähe des Hauptplatzes. Wir kommen eigentlich nur, um unsere gelesenen Bücher zu tauschen, sind aber begeistert von den netten Leuten und dem richtig coolen Ambiente. Von der Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick über den Lago Nahuel Huapi.

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Wir unterhalten uns lange mit den Gästen aus aller Welt und dem wirklich liebenswerten Personal, finden viele schöne Bücher und dürfen das WiFi benützen. Eine tolle Adresse, selbst wenn man kein Hostel braucht.

Als wir Bariloche verlassen und uns auf den Rückweg zum Lago Guillelmo machen, ist es schon fast dunkel, und die ganz besonderen Felsformationen der umliegenden Berge erscheinen nur noch als Scherenschnitt:

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Am nächsten Morgen machen wir uns wieder früh auf, denn heute wollen wir von Bariloche aus den berühmten Circuito Chico mit dem Fahrrad erkunden. Der Circuito Chico ist eine 60 Kilometer lange Rundfahrt durch schönste Seen- und Gebirgslandschaft. Bereits kurz hinter Bariloche kann man immer wieder herrliche Aussichten genießen:

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Die eigentliche Runde (27 Kilometer) bestreiten wir dann mit dem Fahrrad. Wir bleiben immer wieder stehen und genießen die schöne Landschaft.

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Das Hotel Llao-Llao ist angeblich (und wir glauben das gerne) das schönstgelegene Hotel Argentiniens.

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Selbst uns Nicht-Golfern bleibt beim Anblick des hoteleigenen Golfplatzes die Spucke weg (an unsere Bremer Freunde: macht schon mal die Grete fertig, das ist was für euch!!).

Die Straße schlängelt sich zwischen verschiedenen Seen hindurch, die mal grün, mal tiefblau schimmern. Eine schönere Radlstrecke kann man sich nicht vorstellen.

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Und so lästig die vielen Anstiege auch sind, sie bieten immer wieder schöne Aussichtspunkte, an denen man sich von der Anstrengung erholen kann.

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Noch einmal fahren wir die 50 Kilometer zurück zum Lago Guillelmo, wo wir für den nächsten Tag einen “ganz Schlappen” eingeplant haben. Baden, sonnen, lesen und abhängen am wunderschönen glasklaren Wasser:

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Erst nach fünf Tagen trennen wir uns schweren Herzens von unserem Lieblingsplatz und machen uns auf zur Ruta de los Siete Lagos, der Straße der Sieben Seen, die von Bariloche nach San Martín de los Andes führt. An dieser Traumstraße wohnen natürlich die Schönen und Reichen, und obwohl wir weder schön noch reich sind, sondern eigentlich nur “und”, fühlen wir uns hier sehr wohl.

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Besonders nett ist der gepflegte Ferienort Villa Angostura. Leider von Horden wildgewordener Urlauber überrannt. Auch hier wieder viel Schokolade und originelle Gebäude:

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Auf der Ruta de los Siete Lagos passiert man noch mehr als nur sieben Seen. Das Wetter ist traumhaft, die Campingplätze überfüllt, die Straßen gesäumt von unzähligen Backpackern, die per Anhalter mitgenommen werden wollen. An manchen Stellen erinnert die Straße an die Tour de France, wo man sich durch die Menschenmenge links und rechts der Fahrbahn schlängeln muss. Wir machen einen Abstecher zum weniger besuchten Lago Traful. Wie immer “wohnen” wir versteckt im Wald am Fluss, verbringen aber einen Teil des Tages am Campingplatz mit den lustigen und feierfreudigen Argentiniern.

Hüttengaudi auf argentinisch! Die beiden spielen keinen Tango, sondern eher bayrische Hüttenmusik. Als wir ihnen erklären, dass dies klingt wie bei uns zu Hause, sind die beiden nicht mehr zu bremsen. Aus Höflichkeit – und weil es uns wirklich gut gefällt – verbringen wir lange Zeit bei ihnen.

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Wir schlendern noch über den Campingplatz am See und entdecken mal wieder lustige Wohnwägen. Denn hier in Argentinien steckt der Wohnmobilboom noch in den Kinderschuhen. Man verreist hauptsächlich mit Wohnwagen und fühlt sich so ins Deutschland der 60er Jahre zurückversetzt.

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In San Martín de los Andes erreichen wir das Ende der Traumstrecke der Sieben Seen. Den nahegelegenen Nationalpark Lanín wollen wir noch besuchen, vor allem den Vulkan Lanín, den mit 3.776 m angeblich schönsten Berg Argentiniens. Im Nationalparkbüro in San Martín de los Andes statten wir uns mit Infomaterial über den Park aus.

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Wir wollen hauptsächlich nochmal zum Vulkan, den wir ja schon vor drei Monaten von der chilenischen Seite aus zum Teil bestiegen haben. Aber irgendwie war das von Chile aus besser. Schon die Zufahrt ist auf den letzten 10 Kilometern schlechte Schotterpiste. Diese kaputte Brücke war noch der beste Teil:

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Brücken wie diese sieht man in Argentinien sowie in Chile übrigens oft. Die losen Bretter werden scheinbar nie mehr befestigt, und beim Überfahren klappert und scheppert es, während die Bretter durch die Gegend fliegen. Man ist immer froh, wenn zumindest keine Nägel aus den Brettern herausragen.

Mit dem Wetter haben wir heute kein Glück. Die Wolkendecke löst sich kaum auf, ein starker Wind bläst. Wir wandern zum Vulkan hinauf soweit es geht und freuen uns, als wir den Berg zumindest in einer Wolkenlücke für kurze Zeit erspähen können.

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Eigentlich wollen wir hier oben übernachten, aber der starke Wind staubt uns von Kopf bis Fuß ein, die ganze Landschaft hier scheint aus feinem Lavastaub zu bestehen. Gut, dass wir den Berg schon von der chilenischen Seite aus kennen. Die Wanderung dort hat uns um einiges besser gefallen. Wir bleiben also nicht und fahren zurück, verlassen den Nationalpark und finden einen windgeschützten Platz direkt am Río Malleo.

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Der Río Malleo scheint ein Treffpunkt für Fliegenfischer zu sein, und es macht großen Spaß, vom Auto aus den Fischern zuzuschauen.

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Die Nacht am Río Malleo ist unsere letzte Nacht in den Anden. Das Wetter ist grau und trübe. So wird uns wenigstens der Abschied von einer der schönsten Regionen, die wir bisher gesehen haben, nicht so schwer gemacht. Von hier aus nehmen wir Kurs auf Brasilien, quer durch Argentinien Richtung Nordosten. Denn unser nächstes Ziel sind die berühmten Wasserfälle von Iguacu.

 

Unsere Strecke von Esquel zum Nationalpark Lanín (1.019 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 88.716 km.

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Blog erstellt am 26.01.2016 am Río Malleo bei Junín de los Andes, Argentinien.

Samstag, 16. Januar 2016

73: Argentinien: Atlantikküste bis Andenkette/Esquel (29.12.2015-11.01.2016)


Die Königspinguine haben uns aus Chile verabschiedet, in Argentinien werden wir von den Magellanpinguinen begrüßt.

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Auf unserem Weg durch Argentinien nach Norden, immer an der Atlantikküste entlang, landen wir schon bald im Nationalpark Monte Leon. Wir sind froh, endlich von der langweiligen Ruta 3, die nichts mehr bietet als topfebene Landschaft, abbiegen zu können. Bis auf unzählige Guanacos und Nandus sieht man wirklich gar nichts. Jedoch hier, im Nationalpark am Meer, wartet ein wahrer Höhepunkt auf uns.

Von Mitreisenden haben wir erfahren, dass es hier vor ein paar Tagen noch heftige Regenfälle gab, und so ist auch die 25 Kilometer lange Schotter- und Lehmpiste, die in den Nationalpark hineinführt, ziemlich schlecht und noch etwas aufgeweicht.

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Aber ohne größere Probleme kommen wir am ersten Besichtigungspunkt am Meer an, und bei herrlichstem Sonnenschein trocknen auch die letzten Wasserpfützen.

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Über einen schön angelegten Holzsteg erreicht man den Seelöwenfelsen, wo sich bis zu 300 Seelöwen in der Sonne baden. Der Cowboy auf dem Laufsteg ist übrigens nicht John Wayne, sondern Thomas E., dessen westerntaugliche O-Beine allerdings dem mal wieder heftig wehenden Wind geschuldet sind.

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Vom Aussichtspunkt sieht man die vielen Seehunde aller Größen in absoluter Harmonie.

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Denn die Kolonie beherbert fast ausschließlich Weibchen und Jungtiere, die sich hier faul in der Sonne aalen. Nur ein paar “mittelalterliche” Männchen leben hier. Da es keine ausgewachsenen Männchen gibt, die ihren Harem verteidigen müssen, gibt es kaum Kämpfe, und die Seehunddamen nutzen den Platz nur um sich in der Sonne zu räkeln – wie im richtigen Leben. Außerdem ist die Küste hier eng und steil, und bietet auch keine Möglichkeit zur Paarung. Also eine reine Frauenveranstaltung…

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Wir beobachten amüsiert, wie die Seehunde nach dem Bad wieder auf den Felsen klettern wollen, was nur möglich ist, wenn mal wieder eine große Welle heranschwabbt und ihnen Aufstiegshilfe gibt. Viele rutschen auch immer wieder zurück ins Meer. Das Wasser ist so klar, dass es aussieht, als würden die Tiere in einem künstlich angelegten Pool schwimmen:

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Doch nicht nur der Blick auf den Seehundfelsen ist gigantisch, auch der Blick vom Mirador nach Süden zum Pinguinstrand, den wir später besuchen werden, wirkt fast unecht:

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Doch zuerst geht’s noch zur Isla Monte Leon, wo sich eine riesengroße Kormorankolonie tummelt.

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Noch heute sieht man Spuren und Geräte aus der Zeit des Guanoabbaus.

Hauptattraktion des Nationalparks ist aber natürlich die Pinguinkolonie. Um sie zu besuchen, muss/darf man auf einem sehr schön angelegten Wanderweg zwei Kilometer bis zur Küste laufen. Wir scheinen die einzigen Besucher zu sein und genießen es, durch die ruhige und herrliche Landschaft zu wandern. Lustige Wegweiser zeigen einem, wo es lang geht:

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Um 17:00 h wird der Wanderweg geschlossen, denn dann wird es gefährlich. Die Gefahr lauert in Form von Pumas, die sich mit Einbruch der Abenddämmerung auf den Weg machen. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass diese Tiere eine echte Gefahr sind, und wie man sich im Notfall verhalten soll.

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Wir denken “mal wieder übertriebene Vorsicht”, werden aber bald eines besseren belehrt, als wir im lehmigen Boden immer wieder frische Pumaspuren sehen:

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Ein trauriges Zeugnis sind auch die vielen toten Pinguine, die wir rechts und links des Weges liegen sehen.

Nach zwei Kilometern erreicht man schließlich die Pinguinkolonie. Der Wanderweg führt direkt durch das Brutgelände, so dass man die süßen Tierchen aus nächster Nähe beobachten kann:

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60.000 Paare soll es hier geben, und mit einem guten Fernglas sieht man sie vom Aussichtspunkt aus am Strand entlang spazieren:

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Viel mehr Spaß macht es natürlich, die putzigen Pinguine von ganz nah aus zu beobachten.

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Besonders angetan hat es uns diese Pinguinfamilie: ein noch völlig behaartes Junges traut sich vorsichtig aus seiner Höhle heraus. Die Mutter hat es von der Höhle aus natürlich im Auge.

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Als sie uns sieht, denkt sie sich “blöde Touristen, wer weiß, was die mit meinem Kleinen vorhaben” und beschützt ihr Junges lieber aus nächster Nähe:

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Kurze Zeit später gesellt sich noch ein weiteres, noch jüngeres Pinguinbaby dazu. Es kann noch nicht richtig aufrecht laufen und stützt sich mit seinen Flügeln am Boden ab, während es unsicher zu seiner Mutter torkelt. Unglaublich süß, auch wenn es eher wie ein kleiner Gorilla aussieht:

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Von dieser kleinen Familie können wir uns nicht losreissen. Wir sind beeindruckt, dass wir dies aus nur zwei Meter Entfernung beobachten dürfen. Eine Stunde und 537 Fotos später lassen wir sie schweren Herzens zurück und verlassen schließlich auch den Park. Noch lange denken wir an diesen schönen Tag in einem wirklich unbedingt zu besuchenden Nationalpark. Der übrigens keinen Eintritt kostet, was kaum zu glauben ist bei dem was geboten ist.

Langweilig geht’s dann wieder weiter Richtung Norden auf der Ruta 3. Einzige Abwechslung ist dieses Schild, das auf die Gran Bajo de San Julián hinweist, die mit 107 Meter unter dem Meeresspiegel tiefste Stelle des amerikanischen Kontinents.

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Leider ist diese Depression nur von oben aus zu sehen, hinunterwandern darf man nicht, denn das Gebiet “down under” ist Privatbesitz.

In Puerto San Julián wird wieder der übliche Triathlon eines Weltreisenden absolviert: Duschen-Tanken-Internet. Außerdem gibt es hier einen Nachbau der Nao Victoria zu sehen, des Segelschiffs von Fernando Magellan.

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Die Nao Victoria, mit der Magellan im Jahre 1520 die Meeresstraße entdeckte, war das einzige der fünf Schiffe umfassenden Flotte, das die dreijährige Weltumsegelung vollendete. Allerdings ohne Magellan. Er war bereits auf den Philippinen verstorben.

Nördlich von Puerto San Julián hat man die Möglichkeit, auf dem Circuito Costanero, der Küstenstraße, direkt an der Küste entlang zu fahren. Die Straße ist Schotter und nicht besonders gut, aber der Blick auf’s Meer entschädigt auf jeden Fall.

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Uns gefällt es hier sogar so gut, dass wir auf diesem wunderschönen geschützten Platz direkt am Meer die ersten fünf Tage des neuen Jahres verbringen.

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Hier, am Cabo Curioso, direkt unter einem ausgedienten Leuchtturm, leben wir einfach in den Tag hinein, lesen, wandern, machen Frühjahrsputz…

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Pünktlich zu unserer Ankunft an Neujahr verabschiedet sich der Winter, wir genießén die ersten warmen Tage, die Winterklamotten werden verstaut und die kurzen Hosen hervorgekramt. An vielen Stellen sieht man die Spuren der starken Regenfälle der letzten Wochen. So stellt man sich eigentlich Äthiopien vor:

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Während unserer fünf Tage hier durchleben wir sämtliche Windstärken. Von absoluter Flaute bis Sturm im Wasserglas bzw. Hochseewellen in der Kaffeetasse. Aber die Sonne scheint immer…

Wir machen wunderschöne, stundenlange Wanderungen an der Klippe entlang.

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Trotz der Feiertage begegnen wir keiner Menschenseele, keinem einzigen Lebewesen… Moment mal, war hier nicht ein Geräusch? Direkt unter der Klippe, auf der wir hier stehen, hören wir plötzlich etwas grunzen und gröhlen. Tatsächlich, eine ganze Seehundkolonie! Scheinbar ein gut gehütetes Geheimnis, denn hierher verläuft sich wirklich niemand. Von oben sehen wir den Tieren zu, die das “Dolce Vita”, das süße Nichtstun, genauso genießen wie wir:

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Jeden Morgen finden wir einen anderen Grund, noch einen Tag dranzuhängen, aber nach Tag 5 geht es schließlich weiter, mal wieder auf unserer geliebten Ruta 3. Nach etlichen Stunden sind wir fast froh, als wir nördlich von Caleta Olivia gezwungen werden, eine Pause einzulegen. Eine Straßensperre. Baustelle – denken wir. Aber da wir in der langen Schlange ziemlich weit vorne stehen, entdecken wir zu unserem Entsetzen brennende Reifen und vermummte Demonstranten. “Kein Grund zur Panik” beruhigt uns die Polizei, das sind nur Bauarbeiter, die hier in der Region Chubut streiken, da sie seit zwei Monaten kein Gehalt bekommen haben. Außerdem geht es ja in ca. fünf Stunden schon wieder weiter. Mas o menos… Zum Glück stehen wir an einer günstigen Stelle und verlegen unsere Wartezeit auf einen schönen Parkplatz am Meer. Fünf Stunden später ist die Schlange wirklich viele Kilometer lang, aber es geht tatsächlich um 18:30 h weiter. Wir wundern uns, wie gelassen die Argentinier so einen Stau hinnehmen. Keiner ist genervt oder ungeduldig, keiner schimpft, keiner drängelt sich vor. Alle stehen auf der Straße, unterhalten sich, lachen, trinken Matetee. In Deutschland undenkbar, in Ägypten hätte man sich in Zehnerspuren vorgedrängelt. Trotzdem sind wir froh, als es endlich weitergeht, noch dazu auf einer landschaftlich so schönen Straße:

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Bereits vor einiger Zeit haben wir beschlossen, unsere ursprüngliche Reiseroute zu ändern und die dicht besiedelte Region um Buenos Aires auszulassen. Viel lieber wollen wir noch ein paar Wanderungen im schönen argentinischen Seengebiet um San Carlos de Bariloche unternehmen. Wir verlassen deshalb kurz vor Commodore Rivadavia die Küste und biegen nach Westen in Richtung Andenkette ab. Durch die Straßenblockade ist es schon spät und wir wollen schnell einen Platz für die Nacht finden. Mission Impossible! Denn über Hunderte von Kilometern ist das wohl Argentinien’s wichtigstes Ölfördergebiet. Anstelle romantischer Übernachtungsplätze reiht sich hier Ölpumpe an Ölpumpe, und wir sind froh, als wir kurz vor Einbruch der Nacht einen Stellplatz in einer ruhigen Kiesgrube finden.

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Dass wir hier auf Privatgelände stehen und sich gleich um die Ecke eine Farm befindet, übersehen wir mal ganz geflissentlich… Hier verbringen wir die ruhigste Nacht seit langem. Doch plötzlich, während des Frühstücks, wird unsere Ruhe jäh unterbrochen. Ein Auto schießt mit quietschenden Reifen auf uns zu. Mit bitterböser Miene fragt der mürrische Fahrer, was wir hier zu suchen haben!? “Straßenstau – spät – müde – Mann erschöpft” stammel ich. Ich weiß nicht, warum ich plötzlich so stottern muss, vielleicht liegt es an dem Gewehr, das der zweite Mann vor unserer Nase herumwedelt, oder der peinlichen Tatsache, dass ich noch keine Hose anhabe… Auf jeden Fall merken die beiden, dass es nichts Harmloseres auf der Welt gibt als uns beide. Und sogleich schlägt die Stimmung der zwei wirklich grimmigen Gestalten plötzlich ins Gegenteil um. Sie unterhalten sich lange mit uns, laden uns auf ihre Farm ein, wir dürfen unsere Wasservorräte auffüllen, und sie zeigen uns schöne Wanderungen in der Gegend. Ende gut – alles gut. Mal wieder eine so gute Erfahrung mit den wirklich netten und gastfreundlichen Argentiniern!

Die Fahrt am nächsten Tag ist eintönig, denn die Pampa hier ist flach, langweilig, und über Stunden gibt es nichts zu sehen. Schließlich erreichen wir zum ersten Mal nach zwei Monaten wieder die berühmte Ruta 40, die argentinische Schwester der nordamerikanischen Route 66. Als wir inmitten der Wüste einen Fluss mit schönen grünen Wiesen entdecken, biegen wir nach Facundo ab und verbringen hier zwei schöne Tage.

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Nachdem wir so gute Erfahrung mit illegalen Tätigkeiten gemacht haben, wird auch gleich mal die gesamte Wäsche im Fluss gewaschen. Dank heißem Wind ist alles innerhalb einer Stunde trocken. Ja, heiß ist es jetzt. Die Temperatur ist von 15°C auf weit über 30°C in die Höhe geschossen. Fast schon unerträglich nach den langen eisig kalten Wochen im Süden. Aber wir wollen uns ja nicht beschweren…  Und hier noch ein Foto für die VW-Werbung – mal schauen, wann wir endlich Geld für unsere Werbeaufnahmen bekommen:

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Nach zwei Tagen geht es weiter Richtung argentinisches Seengebiet – mit dem üblichen Blick des Tages. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass irgendwann die ersten Gipfel der Anden vor uns auftauchen sollen.

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Aber anstelle der ersehnten Berggipfel erwartet uns zunächst ein Gipfelstau an der Tankstelle. Durch die Straßenblockaden in der Region Chubut kommt es auch an den Tankstellen zu Engpässen, ein Anblick und Umstand, an den wir uns in den nächsten Tagen gewöhnen müssen. Entweder verwaiste Tankstellen, da es keinen Sprit gibt, oder kilometerlange Schlangen, wenn endlich mal wieder ein Tanklaster durchgelassen wurde. Aber auch hier: keine hupenden oder genervten Autofahrer, man unterhält sich nett und isst leckere Grill-Würstchen, die am Straßenrand an die Wartenden verkauft werden. So lecker, dass wir uns schon immer auf den nächsten Tankstellenstau freuen.

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Wir verstehen gar nicht, dass die meisten Reisenden die Strecke vom Atlantik zu den Anden in nur zwei Tagen durchschießen, denn wir finden immer wieder nette Plätze zum Übernachten. Man muss nur die Ruta 40 verlassen, und bereits nach ein paar Kilometern findet sich immer wieder ein ruhiger und schöner Platz. Ohne laute Nachbarn. Eigentlich immer ohne Nachbarn, bis auf den hier:

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Thomas pirscht sich vorsichtig an dieses Stinktier heran. Es ist jedoch alles andere als scheu und nimmt richtig Fahrt auf. Mit einem Satz springt Thomas schnell ins Auto. Nicht etwa aus Angst vor dem Stinktier, sondern wegen seiner gerade frisch gewaschenen und gut duftenden Wäsche.

In der kleinen Stadt Tecka verstehen wir, warum man so wenig Müll, vor allem Plastikflaschen, am Straßenrand sieht. Man sammelt die Flaschen, um alle möglichen Statuen daraus zu bauen. Dieser Weihnachtsschmuck besteht ausschließlich aus Plastikflaschen – eine tolle Idee!

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Nach gefühlten Wochen der topfebenen Landschaft sehen wir endlich die ersten weißen Bergspitzen der Andenkette:

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Unser Ziel, Esquel, liegt in greifbarer Nähe. Wir kennen die Seenlandschaft nur auf der chilenischen Seite und freuen uns nun auf das argentinische Gegenstück. Genau vor zwei Monaten sind wir direkt hinter der Bergkette auf der Carretera Austral nach Süden gefahren.

Esquel ist ein netter kleiner Ort und eignet sich sehr gut, um alle möglichen Dinge zu organisieren. Uns zieht es zunächst nach La Hoya hinauf, in das schön gelegene Skigebiet über der Stadt. Hier oben sind die Temperaturen erträglicher und man hat einen schönen Blick über die Stadt und das Umland.

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Obwohl der Winter lange vorbei ist, ist zumindest ein Sessellift für die Wanderer noch in Betrieb. Beim Studieren der Preisliste müssen wir schmunzeln. Eine Fahrt kostet 100 Pesos (ca. 5 Euro) und für 30 Pesos kann man noch separat eine Versicherung abschließen. Das muss man sich in den Alpen mal vorstellen! Aber beim Anblick der Lifte eigentlich keine schlechte Idee.

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Auf einem schönen Platz direkt über der Stadt verbringen wir eine – na ja, nicht gerade ruhige – aber landschaftlich wundervolle Nacht.

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Denn wir sind nicht die einzigen, denen es hier gefällt. Bis weit nach Sonnenuntergang kommen immer wieder Menschen, die auch den schönen Blick genießen wollen. Als es dann endlich dunkel ist, werden die Sonnenuntergang-Fans von diversen Liebespärchen abgelöst, die bei zumindest nicht allzu lauter Musik auch die Stimmung und den romantischen Blick auf das Lichtermeer im Tal genießen. Aber um 3:00 h ist dann endlich Ruhe und wir freuen uns auf ein paar Stunden Schlaf, bevor mir morgen den in 50 Kilometer Entfernung gelegenen Nationalpark Los Alerces für ein paar Tage erkunden, erwandern und erradeln wollen.

 

Unsere Strecke von Chile Grenze nach Esquel (1.623 km) – Gesamtkilometer bis jetzt: 87.697 km.

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Blog erstellt am 12.01.2016 im Nationalpark Los Alerces, Argentinien.